Wettkampf um Studierende

Die Konkurrenz um internationale Studenten in Europa wird härter. Städte überall auf dem Kontinent wollen an dem milliardenschweren Marktsegment mitverdienen.

Es wird niemanden überraschen: Die USA, Großbritannien und Australien dominieren bei Studiengängen für internationale Studenten den Markt. Diese traditionellen Festungen geraten nun aber durch vielerlei Länder auf dem europäischen Kontinent unter Druck. Länder, die sich mit attraktiven Angeboten eigener auf Englisch unterrichteter Studiengänge (English-Taught Programmes, ETP) ins Zeug legen – kombiniert mit niedrigeren Studiengebühren.


„Um gegenüber Großbritannien und den USA aufzuholen, haben Länder wie Deutschland und die Niederlande in gemeinsamen Anstrengungen landesweite Programme zur Internationalisierung aufgelegt und das Marketing ihrer Universitäten verbessert“, so Paul Tostevin, Director of World Research bei Savills. „Die auf Englisch angebotenen Studiengänge dieser Länder haben das Spiel verändert.“


Erasmus Plus

Für den Aufstieg Europas attraktiver kreativer Städte ist auch das EU-Bildungsprogramm „Erasmus Plus“ entscheidend gewesen. Das 16 Milliarden Euro schwere Integrationsprogramm zur finanziellen Unterstützung von Lernenden ist Teil des „Programms für lebenslanges Lernen“ (Life-Long Learning Programme) der Europäischen Kommission. Unter dem Schirm von „Erasmus Plus“ lernen oder studieren jedes Jahr mehr als 300.000 Menschen. Bis heute hat das Programm zur Bildungsmigration von fünf Millionen der intelligentesten und talentiertesten jungen Menschen Europas beigetragen.


Neue Prioritäten

Die Position einer Universität in weltweiten Ranking-Systemen war früher mitentscheidend für ihre Fähigkeit, ausländische Studenten anzuziehen. Dieser Trend scheint jedoch an Bedeutung zu verlieren; Studenten stellen zunehmend fest, dass der Besuch einer Universität oder eines Colleges mit hohem Ranking nicht zwangsläufig bedeutet, dass sie in einem Studiengang dort Erfolg haben oder an einem solchen Auslandsstudium Freude haben werden.


Tatsächlich zeigen Forschungsarbeiten von Savills, dass sich die Rankings für bevorzugte Studentenzielorte im Grunde umkehren, wenn man die Lebenshaltungskosten, Unterbringungskosten und Studiengebühren mit einbezieht. Die traditionellen erstrangigen Städte gemessen an der Qualität höherer Studiengänge, wie z. B. Boston, New York, San Francisco und London, punkten am oberen Ende eben jener Skala, während europäische Städte wie Warschau, Wien, Berlin, Prag, Mailand, Lissabon, Paris und Amsterdam in puncto Gesamt-Erschwinglichkeit überzeugen.


Beliebte Städte sind unterversorgt

Etwas paradox ist aber, dass die meisten – wenn nicht alle – dieser erschwinglicheren Studentenzielorte aus Unterkunftssicht zu den unterversorgtesten Städten Europas zählen. Daten von Bonard – einem unabhängigen Marktforschungsunternehmen, das sich auf die Asset-Klasse der Studentenunterkünfte konzentriert – weisen Rom und Florenz als die Städte mit dem geringsten Angebot aus (3 %); gefolgt von Porto, wo nur 3,5 % der Gesamtstudentschaft einen eigenen Bettenplatz haben.


Südeuropa allgemein schneidet hier besonders schlecht ab: Italien liegt bei unter 5 %, und auch die spanischen Städte Madrid (5,7 %) und Barcelona (5 %) sind nur marginal besser. Die höchste Quote bei der Bereitstellung zweckerrichteter Studentenunterkünfte (Purpose-Built Student Accommodation, PBSA) erzielte im Kontrast dazu Großbritannien. 27 % aller Studenten können dort auf eine Unterkunft zählen.


Unterangebot als Triebkraft für Wachstum

Das Unterangebot an diesen zweckerrichteten Studentenunterkünften ist heute Triebkraft einer der größten Wachstumsstorys der europäischen Immobilienbranche. Die Asset-Klasse, die sich durch sichere Einnahmenströme, hohe Belegungsraten und eine niedrige Korrelation mit wirtschaftlichen Abschwüngen auszeichnet, zieht eine steigende Zahl institutioneller Anleger an. In diesem Zusammenhang beleuchtet eine neuere Studie von Union Investment und bulwiengesa die besten Gelegenheiten für Investments in neue Studentenunterkünfte in Deutschland. Interessanterweise wird diese Auflistung nicht von den üblichen Verdächtigen wie z. B. Berlin und München angeführt.


Muenster Boeselagerstrasse
Studierendenwerk Münster 2016

Tatsächlich, wie diese Studie feststellt, ist die Universitätsstadt Münster mit fast 60.000 Studenten der im Segment attraktivste Ort des Landes – gefolgt von anderen hier eher untypischen Städten wie z. B. Köln, Stuttgart, Karlsruhe und Hannover. Das Ranking ist Teil einer detaillierten Studie, die anhand von 18 verschiedenen Messgrößen Angebot und Nachfrage in diesem Sektor in 61 deutschen Städten verglichen und auch vier nichtdeutsche Städte untersucht hat: Dublin, Amsterdam, Paris und Wien, die alle in den Top 20 des Rankings vorkamen.


Titelbild: ddp images / Stefan Ziese

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