
Ohne Brechstange
Widerstand gegen Immobilienprojekte wird für Entwickler und Investoren zunehmend zum Risikofaktor. Kluges Akzeptanzmanagement zahlt sich aus.
Es war das Ende eines langen Streits. Anfang dieses Jahres hatte Investor Christoph Gröner genug von den Diskussionen über den Umbau des früheren Postscheckamts in Berlin-Kreuzberg – er verkaufte seine Anteile. In all den Jahren sei er „vor allem angefeindet“ worden, sagt er der Tageszeitung „Welt“. „Wir mussten uns Tiraden anhören über Enteignungen und wurden ausgelacht.“
Bauen ist schwieriger geworden. Was früher für große und laute Infrastrukturprojekte galt, kann heute selbst bei Büro- und Wohnbauten zum Problem werden: fehlende Akzeptanz in der Bevölkerung und bei Politikern. Wer das Risiko von Protesten und Verzögerungen begrenzen will, muss sich etwas einfallen lassen. Informationsforen, Ausstellungen, Ideenworkshops – was man einst von öffentlichen Bauherren kannte, ist auch in der privaten Bauwirtschaft angekommen. Kein Wunder, findet Klaus Grewe, ein erfahrener Projektmanager, der in London lebt: „Wo es nicht um Steuergelder geht, sondern um Wirtschaftlichkeit, wiegt das Risiko einer Nachfinanzierung viel schwerer.“
Akzeptanzmanagement ist das A und O
Wie konfliktträchtig ein Projekt ist, hängt von vielen Faktoren ab – Nutzung, Größe, Bedeutung für Verkehr und Frischluftversorgung. „Akzeptanzmanagement ist das A und O, vor allem bei komplexen Projektentwicklungen“, sagt Rainer Schäfer, Geschäftsführer der Strabag Real Estate. „Früher wurde mehr hingenommen. Heute haben wir eine Beteiligungskultur“.
Die Branche stellt sich darauf ein. Im vergangenen Jahr befragten Kommunikationswissenschaftler der Universität Hohenheim zusammen mit der Beratung Wikopreventk die Leiter von 97 deutschen und österreichischen Großprojekten (Investitionsvolumen insgesamt 85 Milliarden Euro). Immerhin die Hälfte hatte ein vollständiges Kommunikationskonzept mit Info-Veranstaltungen, Pressekonferenzen, Visualisierungen und Websites. 82 Prozent gaben an, dass sich dadurch die Diskussion deutlich oder teilweise versachlicht habe; für 64 Prozent war die Akzeptanz des Projekts gestiegen.
Aus Sicht von Studienleiter Prof. Frank Brettschneider besonders prägnant: Fast drei Viertel bewerteten den Nutzen der Kommunikation höher als die Kosten. „Dass die Projektleiter selbst dies so sehen, ist in der Vergangenheit oft bestritten worden.“
Beispiel: Tanzende Türme in Hamburg
Strabag-Geschäftsführer Schäfer kann dazu eine Geschichte erzählen. Als seine Firma vor einigen Jahren auf dem Hamburger Kiez die „Tanzenden Türme“ errichten wollte, zwei 75 und 85 Meter hohe Bürobauten, waren die Anwohner zunächst wenig begeistert – bis sie erfuhren, dass zum Konzept eine Wiederbelebung des legendären Mojo-Clubs gehören würde. Schäfer: „Das hat die Szene befriedet.“
Der Entwickler betrieb dafür einigen Aufwand. Der Club liegt im Untergeschoss, Besucher betreten ihn über hydraulische Bodenluken, der Boden schwingt auf riesigen Federungen. Zwar kompensiere die Miete nicht die hohen Gestehungskosten, räumt Schäfer ein. „Aber durch den störungsfreien Bauablauf ging für uns insgesamt die Rechnung auf.“
Wie hoch ist das Kommunikationsbudget?
Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) empfiehlt bei Infrastrukturprojekten ein Kommunikationsbudget von einem Prozent des Projektvolumens. Pauschal übertragbar ist die Empfehlung wohl nicht. Nach Meinung von Baumanager Grewe geht es eher darum, dass sich ein Entwickler die Risiken von Einsprüchen und Verzögerungen bewusst macht. Dann lasse sich besser entscheiden, wie hoch das Budget sein soll. „Klar ist: Je teurer das Projekt, desto höher die Verzögerungskosten.“ Zuviel des Guten sei aber auch verkehrt – ein „endloser Beteiligungsprozess“ könne Bedürfnisse erst wecken und Ansprüche erhöhen.

Die Leitlinie: Vernunft und Zuhören
Aus Vernunft und Zuhören kann sogar eine Win-win-Situation entstehen. Als Thyssenkrupp im schwäbischen Rottweil einen 232 Meter hohen Test-Turm für Aufzüge errichten wollte, wünschten sich die Bürger eine öffentliche Aussichtsplattform. Nach einer Schrecksekunde fand der Konzern die Idee selber gut. Heute ist der Turm ein Tourismusmagnet. Als Vorzeigeprojekt gilt auch Daimlers Prüf- und Technologiezentrum in Immendingen. Als es um Naturschutz- und Ausgleichsmaßnahmen ging, band der Konzern regionale Experten ein, die Organisationen wie Nabu und BUND benannt hatten. „Von der Mission Impossible zur Erfolgsstory“ beschrieb der damalige Projektmanager, Lothar Ulsamer, den Verlauf.