
Kleine Schritte oder großer Wurf?
Die Digitalisierung ist in der Immobilienwirtschaft inzwischen angekommen. Eine Kernfrage aber bleibt: Wie lässt sich digitale Innovation am besten umsetzen? Ein Kommentar von Thomas Müller.
Die Immobilienbranche ist aus meiner Sicht noch stark dem Konzept des Großen Wurfes verhaftet, der alles auf einmal lösen soll. Eine Strategie mit Zielbild und langfristiger Planung ist wichtig. Daran besteht kaum ein Zweifel. Gleichzeitig sollten Konzernstrukturen oder Unternehmenshierarchien den Fortschritt nicht im Keim ersticken. Denn die Gefahr besteht, dass „Innovationen“, die mit deutscher Ingenieurs-Sorgfalt entwickelt und in aller Ruhe zur Perfektion veredelt werden, längst veraltet sind, wenn sie den Markt erreichen.

Die Erfolgsunternehmen der Plattformökonomie, ob Apple, Amazon, Google oder einige mehr, geben auch der Immobilienwirtschaft ein Beispiel, wie sich große Innovationen in kleinen Schritten umsetzen lässt. Oder dynamischer formuliert: in kurzen Sprints. Es ist der Gedanke des „Minium Viable Products“ (MVP), des kleinsten lebensfähigen Produkts, der in der digitalen Wirtschaft Veränderungen anstößt und damit Innovation ermöglicht. Unternehmen sollten daher Freiräume zur Entwicklung von Prototypen schaffen, die sich dann in der Anwendung bewähren müssen und durch das direkte Feedback der Nutzer weiterentwickelt werden. Ein Beispiel für diese Philosophie liefert unter anderem Tesla. Während VW ohne viel Praxiserfahrung ambitionierte Ziele zur Elektromobilität verkündet, sammelt das US-amerikanische Unternehmen bereits seit Jahren Kilometer für Kilometer von echten Nutzern, um seine Produkte zu verbessern. Den Anfang machte lange vor der Straßenzulassung ein MVP.
Die Entwicklung von Minium Viable Products wirft für Immobilienunternehmen auch die Grundfrage des „make or buy?“ in Sachen Digitalisierung neu auf. PropTechs sind an vielen Punkten der Wertschöpfungskette wichtige Partner für die etablierte Immobilienwirtschaft. Gleichzeitig wird es Bereiche geben, in denen eine Eigenentwicklung oder die Ausgründung eines eigenen Start-ups sinnvoller erscheint. Ein Beispiel liefert erneut die Automobilwirtschaft. Daimler mit Car2Go und BMW mit DriveNow haben eigene Mobilitätskonzepte innerhalb ihrer Konzernstruktur entwickelt, bevor beide Konzepte vor Kurzem fusionierten. Auch das ein Effekt der Plattformökonomie.