
Das Klima und sein Preis
Klimaschutz ist zum beherrschenden politischen Thema geworden. Gesetzliche Regeln setzen die Immobilienbranche unter Druck – doch immer mehr Immobilienunternehmen sehen in der Nachhaltigkeit auch wirtschaftliche Vorteile.
Der international tätige Immobilien-Investmentmanager Union Investment hat ehrgeizige Ziele: Das gesamte rund 400 Objekte umfassende Portfolio soll CO2 neutral werden. Der Action Plan sieht ein hohes Tempo vor. Eine ähnliche Stoßrichtung hat Redevco. Und auch der Vermögensverwalter DWS beginnt sich auf den Weg zu machen.
Dass sich bedeutende Immobilienunternehmen für mehr Nachhaltigkeit und insbesondere für eine Reduktion der Treibhausgasemissionen einsetzen, hat mehrere Gründe. Erstens hat der Druck von Klimaaktivisten dazu geführt, dass die (vor allem ökologisch verstandene) Nachhaltigkeit wieder ganz oben auf der politischen Agenda steht. Zweitens verlangt eine wachsende Zahl von Investoren die Einhaltung von ESG-Kriterien (vgl. Kasten). Und drittens beschließen immer mehr Länder gesetzliche Vorgaben, die Immobilieneigentümer zu konkreten Maßnahmen für mehr Klimaschutz verpflichten.
Klimaneutralität bis 2050
Hintergrund ist das 2015 geschlossene Pariser Übereinkommen. In diesem hat sich die Staatengemeinschaft zu einem globalen Aktionsplan verpflichtet, der die Erderwärmung auf deutlich unter 2° C begrenzen soll. Die EU will deshalb bis 2030 die Treibhausgasemissionen um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 verringern. Zu diesem Zweck hat sie einen Green Deal (offiziell: „Sustainable Europe Investment Plan“) aufgelegt. Aktiv geworden ist auch die Bundesrepublik Deutschland: Das Ende 2019 verabschiedete Klimaschutzprogramm legt den Weg zu einem klimaneutralen Gebäudebestand im Jahr 2050 fest. Dazu beitragen soll insbesondere die Einführung eines CO2-Preises.
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Selbst in den gemeinhin als wenig klimasensibel geltenden USA gibt es einschneidende gesetzliche Vorgaben. So verpflichtet zum Beispiel ein Local Law Immobilieneigentümer in New York dazu, bis 2023 einen Fahrplan vorzulegen, wie sich der CO2-Ausstoß ihrer Objekte bis 2030 um 40 Prozent reduzieren lässt. Bei Zuwiderhandlung drohen Strafzahlungen in Millionenhöhe.
Antworten auf die Fragen der Gesellschaft
Trotz dieses wachsenden Drucks können 49 Prozent der institutionellen Immobilieninvestoren nach eigenen Angaben noch nicht erkennen, dass durch den Klimawandel die Risiken für ihr Portfolio gestiegen sind. Das ist das Ergebnis der Studie „Emerging Trends in Real Estate Europe 2020“, welche die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC und das Urban Land Institute (ULI) durchgeführt haben. Susanne Eickermann-Riepe, German Real Estate Leader bei PwC Deutschland, stimmt dieses Ergebnis nachdenklich. Wer erst in den kommenden Jahren auf die Herausforderungen durch den Klimawandel reagiere, „werde Fragen von Investoren, Mietern, aber auch der Gesellschaft nur unzureichend beantworten können“.
Nicht so lange warten will Union Investment Real Estate. „Wir wollen so früh wie möglich eine klare Aussage zur Nachhaltigkeitsperformance unserer Objekte und Portfolios treffen können“, sagt Jan von Mallinckrodt, Head of Sustainability bei der Union Investment Real Estate GmbH. Aus diesem Grund hat der Hamburger Investmentmanager gemeinsam mit der Beratungsfirma atmosgrad° ein neues Nachhaltigkeitslabel namens atmosphere entwickelt.
Ein neues Nachhaltigkeitslabel
„Das Label macht zunächst für das wichtige Zwischenziel 2030 sichtbar, zu wie viel Prozent eine Immobilie oder ein Portfolio dieses Zwischenziel bereits erfüllt“, erläutert von Mallinckrodt. In die Bewertung geht zu 40 Prozent der Faktor „Verbräuche und Emissionen“ ein. Weitere 40 Prozent trägt der von Union Investment entwickelte Sustainable Investment Check bei, der qualitative Nachhaltigkeitsaspekte wie Gebäudeautomation und Nutzerkomfort abdeckt. Die letzten 20 Prozent entfallen auf Aspekte der Fondsstrategie wie z.B. den Einsatz von grünen Mietverträgen (Green Leases) oder Ausschlusskriterien für nicht nachhaltigkeitskonforme Mieter.

Ein zentrales Element ist dabei ein Energiemonitoring mittels Sensorik, das Union Investment bis Ende 2019 in 27 Immobilien bereits eingeführt hat. Dieses Monitoring ermöglicht es, den Energieverbrauch exakt zu ermitteln und auf dieser Basis konkrete Einsparpotenziale zu formulieren. Noch 2020 wird Union Investment laut von Mallinckrodt ein solches Einsparziel für ein erstes Teilportfolio ausrufen.
„Das atmosphere-Label ist ein wichtiger Bestandteil unserer Manage-to-Green-Strategie“, betont von Mallinckrodt. Mit dieser Strategie soll das Bestandsportfolio – und damit nicht nur hoch effiziente Neubauten – umweltfreundlich und CO2-sparend gemacht werden.

Warum „Stranded Assets“ drohen
Diese Strategie dient nicht nur der ökologischen, sondern auch der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit. Experten halten es nämlich für denkbar, dass nicht nachhaltige Immobilien in Zukunft erhebliche Vermarktungsprobleme bekommen und zu sogenannten Stranded Assets werden könnten. Wie sich das vermeiden lässt, hat ein Forschungsprojekt untersucht, das die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff) zusammen mit Union Investment durchgeführt hat.
Entwickelt worden ist im Rahmen dieses Projekts ein Risikomanagement-Tool, das aufzeigt, welche Investitionen wann notwendig sind, damit eine Gewerbeimmobilie in Zukunft nicht am Markt strandet. Ein solches Szenario droht zum Beispiel dann, wenn ein Objekt derart viel CO2 emittiert, dass es massiv abgewertet wird und damit praktisch nicht mehr handelbar ist.
Eigentümer sollten Maßnahmen der energetischen Sanierung steuerlich geltend machen können.
Deutschland führt CO2-Preis ein
Zusätzlichen Schub bekommt die Debatte, weil die Bundesrepublik im Rahmen des Klimaschutzpakets einen CO2-Preis eingeführt hat. Demnach wird in den Segmenten Verkehr und Wärme (und damit auch Immobilien) im Jahr 2021 für eine Tonne CO2 ein Betrag von 25 Euro fällig. Bis zum Jahr 2026 wird diese Summe schrittweise auf bis zu 65 Euro steigen.
Grundsätzlich unterstützt die Immobilienbranche diese CO2-Bepreisung. Von einem „positiven Impuls“ und einer „marktwirtschaftlichen Alternative“ spricht Maria Hill, Vorsitzende des Ausschusses Energie & Gebäudetechnik des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA). Gleichzeitig ist sie überzeugt, dass sich die Klimaziele durch den CO2-Preis allein nicht erreichen lassen. „Studien zeigen, dass selbst bei einem Preispfad von 245 Euro pro Tonne die nötigen Maßnahmen nicht wirtschaftlich darstellbar sind“, argumentiert sie. Hill spricht sich deshalb dafür aus, dass Eigentümer Maßnahmen der energetischen Sanierung steuerlich geltend machen können. Diese Möglichkeit ist derzeit nur für Eigennutzer, nicht aber für professionelle Vermieter vorgesehen.
Der steigende CO2-Preis wird hoffentlich dazu führen, dass Vermieter verstärkt Maßnahmen zur CO2-Reduktion ergreifen.
Etwas optimistischer fällt die Einschätzung von Hermann Horster aus, Head of Sustainability bei der Immobilienberatungsgesellschaft BNP Paribas Real Estate. „Auch wenn der Effekt zu Beginn gering ist, wird der steigende CO2-Preis hoffentlich dazu führen, dass Vermieter verstärkt Maßnahmen zur CO2-Reduktion ergreifen“, sagt Horster, der auch Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) ist.
„Das Thema kommt auf uns zu“
Bezahlen müssen die zusätzlichen CO2-Kosten nach gegenwärtiger Rechtslage zwar die Mieter. ZIA-Vertreterin Hill rechnet aber damit, „dass sich das ändern wird, da die Bundesregierung laut ihrem Klimaschutzplan die Vermieter verstärkt in die Verantwortung nehmen will“.
Nicht nur aus diesem Grund ist klar, dass für langfristig orientierte Bestandshalter kein Weg an einer Reduktion der Treibhausgasemissionen vorbeiführt. „Noch setzt sich erst eine Minderheit der Immobilienunternehmen aktiv mit der ökologischen Nachhaltigkeit auseinander“, stellt Hermann Horster von BNP Paribas Real Estate fest. „Aber das Thema kommt auf uns zu, und es wird nicht mehr lange dauern, bis das der Branche insgesamt bewusst wird.“