Der sichere Hafen im Norden

Lange spielten die nordischen Länder auf der Landkarte international agierender Immobilieninvestoren eine untergeordnete Rolle. Das hat sich grundlegend geändert – denn Wirtschaftswachstum und Stabilität ziehen immer mehr Investoren an.

Am Stockholmer Hauptbahnhof geht es lebhaft zu. Täglich frequentieren rund 250.000 Reisende den Bahnhof, und im Umfeld gibt es zahlreiche Restaurants, Läden und Dienstleistungsbetriebe. Auch das Haus mit der Adresse Vasagatan 12 befindet sich hier: ein 1967 errichtetes und 2016 umfassend modernisiertes Bürogebäude. Seit Kurzem gehört das Gebäude mit dem Namen Stockholm Hub dem Offenen Immobilien-Publikumsfonds -UniImmo: Global von Union Investment. Mit dem Ankauf, sagt Martin Schellein, Leiter Investment Management Europa bei der Union Investment Real Estate GmbH, habe die Gesellschaft die seltene Möglichkeit genutzt, „einen erstklassigen Standort im Stadtzentrum von Stockholm zu besetzen“.


Solche Möglichkeiten suchen immer mehr Investoren. Der gewerbliche Immobilienmarkt in den vier nordischen Ländern erzielte im Jahr 2017 ein Transaktionsvolumen von rund 44 Milliarden Euro, womit das Ergebnis des Jahres 2016 um 9 Prozent übertroffen wurde. Dafür verantwortlich waren auch zahlreiche international tätige Investoren, nicht zuletzt solche aus Deutschland. Deka, Patrizia, Schroder Real Estate, Savills Investment Management, Aberdeen und CBRE Global Investors sind nur einige der namhaften Adressen, die in Schweden, Finnland, Dänemark und Norwegen auf Einkaufstour gingen. Und auch Union Investment beschränkte sich nicht auf das Bürogebäude am Stockholmer Hauptbahnhof: Die Zentrale des Energiekonzerns Vattenfall und zwei weitere neue Büroimmobilien im wachsenden Stadtteil Arenastaden im Norden der schwedischen Hauptstadt gehören mittlerweile ebenfalls zum Portfolio der Fondsgesellschaft.


Stabilität und Transparenz

Aus Sicht der Anleger spricht zunächst die gute wirtschaftliche Entwicklung für Investitionen im hohen Norden. In allen vier nordischen Ländern wuchs 2017 das Bruttoinlandsprodukt, am deutlichsten in Schweden und Finnland mit rund 3 Prozent. Für 2018 sagen die -Experten einen weiteren Anstieg voraus. Damit einher geht eine im gesamteuropäischen Vergleich niedrige Arbeitslosigkeit, die beispielsweise in Schweden Ende 2017 6 Prozent (mit sinkender Tendenz) -betrug.


„Der nordische Immobilienmarkt ist absolut stabil und weist eine geringe Volatilität auf“, stellt denn auch Thomas Beyerle fest, Head of Group Research bei Catella. Ganz ähnlich lautet die Einschätzung von Marcus Cieleback, Head of Research bei Patrizia Immobilien. „Die nordischen Länder“, sagt er, „bieten vor allem eine stabile soziale und wirtschaftliche Basis.“


Von einem „sicheren Hafen“ spricht auch Amanda Welander, Head of Research bei der Immobilienberatungsgesellschaft CBRE in Schweden. Dafür sieht sie gleich mehrere Gründe: die hohe Liquidität des Marktes, die sich in kontinuierlich steigenden Transaktionsvolumina niederschlägt, ferner die transparente Wirtschaft, das weitgehende Fehlen von Korruption und nicht zuletzt das markante Einwohnerwachstum. Tatsächlich finden sich auf einer von der Uno erstellten Liste der zwölf am schnellsten wachsenden europäischen Agglomerationen gleich drei aus dem nordischen Raum: Oslo, Stockholm und Göteborg. Das ist nicht das einzige Ranking, bei dem die Region in der Topliga mitspielt. Im Dynamic Cities Index, mit dem Savills Investment -Management die Zukunftsfähigkeit europäischer Städte analysiert, haben es Stockholm (8.), Oslo (13.) und Kopenhagen (19.) in die Spitzengruppe geschafft. Und im jährlich herausgegebenen Global Talent Competitiveness Index, der die Anziehungskraft von 119 Ländern und 90 Städten auf junge Talente unter die Lupe nimmt, belegen die nordischen Länder, angeführt von Norwegen, geschlossen die Plätze vier bis sieben. Bezogen auf die Städte stehen Stockholm, Oslo, Kopenhagen und Helsinki ganz oben, geschlagen nur von Zürich. In einem Satz fasst Catella-Researcher Thomas Beyerle diese Studien zusammen: „Die nordischen Länder strahlen Zukunftszugewandtheit aus.“


Der Großraum Stockholm ist der größte und wichtigste Immobilienmarkt Skandinaviens.
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Währungsrisiko und andere Herausforderungen

Das heißt allerdings nicht, dass sie für internationale Investoren gänzlich unproblematisch sind. Da ist zunächst das Währungsrisiko: Von den Nordics gehört nur Finnland zur Euro-Zone. Hinzu kommt, dass die einzelnen Märkte für sich genommen relativ klein sind. Zählt man -allerdings das Investitionsvolumen in allen vier Staaten zusammen, so kommt man nach Angaben von CBRE auf einen Anteil von 15 Prozent am gesamten europäischen Markt – das ist deutlich mehr, als auf Frankreich entfällt.


Doch auch wenn die vier Länder sich in den vergangenen Jahren für internationale Investoren geöffnet haben, prägen weiterhin lokale Player den Markt. Allerdings stieg der Anteil ausländischer Investoren 2017 nach Angaben von Catella deutlich – wenngleich mit großen Unterschieden: Während in Finnland der Anteil internationaler Investoren auf 73 Prozent hochschnellte, betrug er in Schweden nur 13 Prozent. Zu berücksichtigen sei dabei, dass unter den Ausländern wiederum nordische Investoren dominieren, sagt Patrizia-Researcher Marcus Cieleback.


Eine weitere Herausforderung stellt das Preisniveau dar. Denn auch in den skandinavischen Ländern dürfen Investoren längst nicht mehr auf Schnäppchenpreise hoffen; die Spitzenrenditen haben ein Niveau erreicht, das fast so niedrig ist wie in den europäischen Topmärkten. Nach Angaben von CBRE betrug Ende 2017 die Spitzenrendite für Büroobjekte zwischen 3,5 Prozent (in Schweden, Finnland und Norwegen) und 3,85 Prozent (in Dänemark). CBRE-Researcherin Amanda Welander rechnet damit, dass in den Core-Märkten die Renditen 2018 stabil bleiben; in Standorten außerhalb der Topstädte hält sie hingegen einen weiteren Rückgang für denkbar.


Das Kapital fließt nicht nur in Büroimmobilien, sondern auch in Einzelhandelsobjekte, Logistikparks und Hotels. Wohnimmobilien -stehen insbesondere in Schweden, Finnland und Dänemark auf dem Einkaufszettel der Investoren. „Kopenhagen“, begründet dies Rikke Lykke, -Managing Director Nordic Region bei Patrizia, „profitiert als Hauptstadt und florierendes Wirtschafts- und Kulturzentrum von einer wachsenden Bevölkerung und einer zunehmenden Urbanisierung.“ Eva Granlund wiederum, Head of Real Estate Investment Nordic beim -Asset Manager Schroder Real Estate, bezeichnet Helsinki als „attraktiven Investmentmarkt, der noch viel Luft nach oben hat“.


Grüne Stadt Stockholm

Ökologie und Nachhaltigkeit – das sind zentrale Ziele der politisch Verantwortlichen in der schwedischen Hauptstadt. Stockholm ist neben Köln und Barcelona eine der drei Städte, die sich unter der Bezeichnung „Lighthouse Cities“ am Programm „Grow Smarter“ der EU beteiligen. Außerdem beteiligt sich Stockholm am „Green Cities Programme“ der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Spätestens im Jahr 2040 will die Stadt ohne fossile Brennstoffe auskommen. Im Vergleich zu 1990 ist es bereits jetzt gelungen, den Kohlendioxidausstoß pro Bürger um ein Viertel zu reduzieren. Die Politik eines konsequenten Klimaschutzes wirkt sich auch auf Immobilienentwickler aus: Laut dem Stockholmer Umweltprogramm für die Jahre 2016 bis 2019 sind beispielsweise ein umweltfreundliches Transportsystem, ein nachhaltiger Flächenverbrauch und gesunde Innenräume Leitlinien der Entwicklung.

Stockholm im Fokus

Vor allem eine Stadt aber steht im Fokus vieler Investoren: Stockholm. Das hängt damit zusammen, dass der Großraum Stockholm mit gut zwei Millionen Einwohnern der größte und wichtigste Wirtschaftsraum der nordischen Länder ist. Zudem verzeichnet Stockholm ein beachtliches Einwohnerwachstum: Nach Angaben der schwedischen Statistikbehörde nahm die Zahl der Stockholmerinnen und Stockholmer zwischen 2005 und 2017 um fast ein Viertel (23,7 Prozent) zu. Allein 2017 betrug der Zuwachs 1,6 Prozent. Im Jahr 2022 dürfte die -Millionengrenze erreicht werden; aktuell zählt Stockholm rund 950.000 Einwohner.


Hinzu kommt eine anhaltend positive Wirtschaftsentwicklung. „Stockholm“, betont Bürgermeisterin Karin Wanngård, „ist eine gute Stadt für Business und Unternehmertum.“ Zwischen 2016 und 2017 erhöhte sich die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um nicht weniger als 30.000. Das wirkt sich auch auf den Büromarkt der schwedischen Hauptstadt aus: Den Leerstand im Central Business District (CBD) beziffert Cushman & Wakefield auf 2,9 Prozent, die Spitzenmiete auf umgerechnet rund 60 Euro pro Quadratmeter und Monat.


Damit weist die schwedische Hauptstadt nach London und Paris das dritthöchste Mietniveau in Europa auf. Bemerkenswert ist zudem, dass Stockholm neben Amsterdam die einzige europäische Stadt ist, die sowohl in der Dekade vor der Finanzmarktkrise (1998–2007) als auch in den Jahren danach (2008–2017) steigende Mietpreise verzeichnete. Die Chancen stehen gut, dass die Kurve weiter nach oben zeigt. Denn das Angebot an Büroflächen wächst nur moderat: 2018 und 2019 kommen gemäß CBRE im CBD von Stockholm nur 48.000 Quadratmeter neu auf den Markt. Experten erwarten deshalb, dass die Mieten zwischen 2017 und 2021 noch einmal um rund 10 Prozent zulegen werden.


Insight

Im CBD von Stockholm standen 2017 2,9 % der Büroflächen leer, die Spitzenmiete lag bei 60 Euro pro Quadratmeter und Monat.

Die Wasserlage lockt

Kein Wunder, dass die Stadt dringend Platz für weitere Büros und Wohnungen benötigt. Das derzeit größte Stadterweiterungsgebiet ist ein ehemaliges Gaswerkareal im Norden, auf dem jetzt, am Wasser gelegen, der neue Stadtteil Royal Seaport entsteht. 12.000 Wohnungen und Arbeitsflächen für 35.000 Beschäftigte wachsen hier in die Höhe – ein gewaltiges Vorhaben, das voraussichtlich erst um das Jahr 2030 abgeschlossen sein wird.


Eine gemischte Nutzung mit Büro-, Einzelhandels-, Wohn- und Freizeitflächen nimmt auch im neuen Stadtteil Arenastaden, ebenfalls im Norden Stockholms, Gestalt an – also dort, wo Union Investment 2016 vom schwedischen Entwickler Fabege das 17.400 Quadratmeter große Bürogebäude U7 erworben hat. Etwa 6.000 Wohnungen und 50.000 Arbeitsplätze sollen zudem bis zum Jahr 2025 im neuen, 96 Hektar umfassenden Stadtteil Hagastaden entstehen.


Einen kritischen Blick verdient indes die Entwicklung der Preise privater Wohnimmobilien in Schweden. In letzter Zeit verbreiteten Schlagzeilen den Eindruck, es drohe ein Einbruch der Häuserpreise, der an die Situation in Spanien im Jahr 2008 erinnere. Tatsächlich gaben die Preise für selbst genutztes Wohneigentum im Jahr 2017 im Großraum Stockholm um 8,7 Prozent nach. Das dürfe aber nicht überbewertet werden, betont CBRE-Researcherin Amanda Welander und verweist darauf, dass in den letzten zehn Jahren die Wohnimmobilienpreise um nicht weniger als 74 Prozent zugelegt haben. Dass eine Marktkorrektur den gewerblichen Immobilienmarkt negativ beeinflussen könnte, bezeichnet Welander als „höchst unwahrscheinlich“. Im Gegenteil: Wenn mehr Wohnungen auf den Markt kommen und die Wohnungspreise sich moderat entwickeln, so dürfte das ihrer Ansicht nach einen positiven Effekt haben, „da es für Bürobeschäftigte leichter wird, eine bezahlbare Unterkunft zu finden“.


Titelbild: Hagastaden Stockholm

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