
Die Stadt am Flughafen
Flughäfen dienen längst nicht mehr nur dem Verkehr, sondern sind auch Kristallisationspunkte von Immobilienentwicklungen. Um dabei erfolgreich zu sein, muss aber eine Reihe von Bedingungen erfüllt sein.
Die Türkei hat es geschafft: Nach nur rund fünf Jahren Bauzeit ist der neue Mega-Flughafen in Istanbul ans Netz gegangen. Bis zu 200 Millionen Fluggäste jährlich sollen künftig dort abgefertigt werden. Doch der neue Airport der Bosporus-Metropole ist nicht nur ein bemerkenswertes Verkehrsbauwerk, sondern auch ein gewaltiges Immobilienprojekt: Rund um den Flughafen soll in den kommenden Jahren auf einem 690 Hektar riesigen Areal eine Airport City mit unterschiedlichsten Nutzungen entstehen. Grundlage dafür ist der 2015 beschlossene Masterplan des international tätigen Architekturbüros Perkins+Will, der unter anderem eine Universität, Büro- und Einzelhandelsflächen, medizinische Einrichtungen und ein Konferenzzentrum vorsieht.

Solche Airport Cities sind weltweit ein viel diskutiertes Thema. Maßgeblich dafür verantwortlich ist der US-amerikanische Autor und Universitätsprofessor John D. Kasarda. Er schuf den Begriff der Aerotropolis, womit er nach eigenen Worten „eine großstädtische Subregion“ meint, „deren Infrastruktur, Grundstücksnutzung und Wirtschaft auf einen Flughafen bezogen sind“. Eine solche idealtypische Aerotropolis lasse sich in Mitteleuropa mit seinen historisch gewachsenen Stadtzentren allerdings nicht realisieren, gibt Thomas Beyerle, Research-Chef der Immobiliengesellschaft Catella, zu bedenken.
„The Circle“ in Zürich
Das heißt allerdings nicht, dass nicht auch auf dem alten Kontinent bedeutende Stadtteile in Flughafennähe entstehen. Ein Beispiel dafür ist The Circle in Zürich. Auf einem 37.000 Quadratmeter großen, sichelförmigen Grundstück realisiert die Flughafen Zürich AG einen gemischt genutzten Komplex mit rund 160.000 Quadratmeter vermietbarer Fläche. Büroflächen machen mit 70.000 Quadratmeter den größten Anteil aus; hinzu kommen Hotels, Kongressräumlichkeiten, ein Gesundheitszentrum sowie Gastronomie- und Einzelhandelsflächen. „Flughäfen werden immer mehr zu Begegnungsorten“, sagt dazu Raffaela Stelzer, Mediensprecherin der Flughafen Zürich AG. Deshalb sei es sinnvoll, „neue Nutzungen dort zu bauen, wo sich die Menschen bereits heute aufhalten“.

Größter Pluspunkt von Flughäfen ist die Verkehrsanbindung – und zwar nicht nur mit dem Flugzeug. „Airport Cities sind über den öffentlichen Personennahverkehr meist exzellent an die Innenstadt angebunden“, stellt Martin Schellein, Leiter Investment Europa bei Union Investment, fest. „Hinzu kommt die charakteristische Anbindung an Autobahnen, die zur Standortqualität beiträgt.“ Abgerundet werden die Vorzüge flughafennaher Lagen laut Schellein durch die hohe Angebots- und Versorgungsqualität, die den zahlreichen Gastronomie-, Service- und Einzelhandelsflächen zu verdanken ist.
Attraktive Hotels
Union Investment hat aus diesen Gründen auch Hotels in unmittelbarer Flughafennähe im Portfolio seiner Fonds – so in Manchester (Radisson Blu), London Stansted (Radisson Blu) und Frankfurt am Main (Hyatt Place). Im Bürosegment verkörpert die Aeroplaza neben dem Flughafen von Eindhoven idealtypisch die Vorzüge einer solchen Lage: Das Objekt ist nicht nur optimal an den Flughafen angebunden, sondern auch an die Autobahn A2 und das Zentrum der niederländischen Stadt.
Solche Lagen lieben Büronutzer. Ende 2018 gewann Union Investment beispielsweise das niederländische Technologieunternehmen ASML für die Aeroplaza. Aber auch die Beraterbranche schätzt die Flughafennähe: KPMG etwa sitzt in The Squaire am Frankfurter Flughafen, während sich EY für das SkyLoop am Flughafen Stuttgart entschieden hat. In The Circle in Zürich wiederum steht die Schweiz-Zentrale von Microsoft als einer der großen Büromieter fest.

Chancen für Investoren
„The Circle ergänzt die bestehende Flughafen-Infrastruktur optimal“, sagt Renato Piffaretti, Leiter Immobilien Schweiz bei der Swiss Life AG. Der Versicherungskonzern hat sich 2013 mit 49 Prozent an der Miteigentümergemeinschaft von The Circle beteiligt; die anderen 51 Prozent gehören der Flughafen Zürich AG. Für das Engagement gibt es laut Piffaretti viele Gründe: „Die innovative Architektur, der neuartige Nutzungsmix mit effizienten und flexiblen Flächen, die direkte Nähe zu Park und Naherholungsgebiet und die optimale Vernetzung mit dem besterschlossenen Punkt der Schweiz – dem Flughafen Zürich – machen dieses Projekt einmalig.“
Weitere Investoren, die sich an dem auf 1,2 Milliarden Franken (rund eine Milliarde Euro) veranschlagten Vorhaben beteiligen möchten, haben in Zürich allerdings keine Chance: Es sei nicht geplant, in nächster Zeit an der bestehenden Miteigentümergemeinschaft etwas zu ändern, sagt die Flughafensprecherin.
Frankfurt und München
Anders verhält es sich bei Gateway Gardens, einer der bemerkenswertesten Airport Cities in Deutschland. Auf der 35 Hektar großen ehemaligen Basis der US-Luftstreitkräfte ist eine Bruttogeschossfläche von rund 700.000 Quadratmeter geplant, von der rund die Hälfte bereits vermarktet ist. Entwickelt wird das Projekt von der Gateway Gardens Projektentwicklungs-GmbH, an der die Stadt Frankfurt am Main sowie drei private Gesellschaften (darunter der Flughafenbetreiber Fraport AG) zu je 50 Prozent beteiligt sind. Die einzelnen Flächen verkauft die Gesellschaft an Investoren – so sicherte sich Union Investment in Gateway Gardens das 2018 eröffnete Hyatt Place Hotel. Geplant und teilweise auch schon vorhanden ist auch hier eine gemischte Nutzung. Das sei wichtig für den Erfolg eines solchen Projekts, betont Catella-Researcher Beyerle und rät von reinen Büroagglomerationen am Flughafen ab.
Noch einmal anders ist die Konstellation in München, wo die Flughafen München GmbH für die Entwicklung des Flughafenumfeldes verantwortlich ist. Sie tritt zwar nicht immer selber als Bauherrin auf, verkauft aber auch keine Grundstücke. Stattdessen „werden Erbbaurechte in den unterschiedlichsten Vertragskonstellationen eingetragen“, sagt Beatrice Vaupel, kommissarische Leiterin Immobilienentwicklung bei der Flughafen München GmbH.
Zu den aktuellen Bauvorhaben am Münchner Flughafen zählt ein Budgethotel der Accor-Gruppe, das 2021 die ersten Gäste empfangen wird. Besonders spektakulär ist der Innovationsstandort LabCampus, der im Endausbau eine Fläche von rund 50 Hektar einnehmen wird. Dieses „unternehmens- und branchenübergreifende Ideenzentrum auf dem Flughafencampus“, wie die Flughafengesellschaft ihr Vorhaben nennt, hat bereits namhafte Nutzer wie Siemens, den Flexible-Workspace-Anbieter Design Offices sowie diverse Forschungseinrichtungen gewonnen.
Warum aber soll sich eine Flughafengesellschaft überhaupt auf dem Feld der Immobilienentwicklung engagieren? „Steigt die Attraktivität des Standortes Flughafen München, profitiert auch der operative Betrieb durch die Ansiedlung von Partnerfirmen und Innovationstreibern aus flughafenaffinen und luftverkehrsnahen Branchen“, antwortet Beatrice Vaupel. „Außerdem können Immobilien als wichtige zusätzliche Einnahmequelle zur Unternehmensfinanzierung beitragen.“
Langer Atem erforderlich
Um eine solche Entwicklung erfolgreich zu realisieren, sei es wichtig, „dass man einen Standort durch stetige und systematische Weiterentwicklung so aufwerten kann, dass er als ,Lage´ wahrgenommen wird“, sagt Vaupel. Dazu gehöre auch die Entwicklung eines Nutzungskonzeptes, das mit den Interessen der Region konform gehe.
Bei alledem gilt allerdings: Wer eine gut funktionierende Airport City bauen will, braucht einen langen Atem. Der Startschuss für The Circle in Zürich (geplante Fertigstellung: 2020) fiel vor ziemlich genau zehn Jahren. Die Gateway Gardens Projektentwicklungs-GmbH in Frankfurt wurde sogar schon 2004 gegründet. Und auch die Airport City am neuen Leuchtturm-Flughafen in Istanbul wird bis zur Fertigstellung wohl deutlich länger brauchen als der eigentliche Flughafen.
Von Christian Hunziker