
Auf immer mehr Dächern oder Freiflächen von Gewerbeimmobilien wird künftig mehr Strom erzeugt als für den Eigenbedarf nötig. Das unterstützt die Transformation der Energieerzeugung. Doch auf dem Weg zur dezentralen Energieversorgung gibt es manche Hürde. Von Kathinka Burkhardt
Neben dem Düsseldorfer Flughafen wächst derzeit ein Stück klimafreundliche Zukunft. Auf 105.000 Quadratmetern Fläche entsteht mit dem Euref-Campus Düsseldorf bis 2025 in zwei Bauabschnitten ein Areal, auf dem Start-ups, wissenschaftliche Einrichtungen und Technologie-Unternehmen die Energie- und Mobilitätswende im Reallabor erproben wollen. Das Besondere: Dank großzügiger Solarpanels auf Dachflächen und Fassaden, modernster Energiespeicher, Hybridkühler und Wärmepumpen in den Gebäuden sowie innovativer Temperaturregulierung über den benachbarten Lichtenbroicher Baggersee versorgt sich der Campus selbst mit Energie. Schon bei Inbetriebnahme soll der Euref-Campus Deutschlands Klimaziele für 2045 erfüllen können. Ein nachhaltiges Quartier ganz im Zeichen der Energiewende. Gewerbeparks, die sich dank Biokraftwerk selbst versorgen, energieneutrale Einzelgebäude, die nur so viel Strom verbrauchen, wie die PV-Anlage auf dem Dach erzeugt – die Energieversorgung der Zukunft ist dezentral. So arbeitet die EU-Kommission an einer Gebäuderichtlinie, nach der Neubauten ab 2030 emissionsfrei sein sollen, also nur einen geringen Energieverbrauch haben dürfen, den sie dann mit erneuerbarem Strom decken.

Die Bundesregierung will alle Immobilienklassen mit ihren Klimaplänen in die Pflicht nehmen. Mit einem neuen Gesetz will sie auch Offene Immobilienfonds zu größeren Treibern der Energiewende machen. Gleichzeitig planen immer mehr Bundesländer die Solaranlagenpflicht auf Gebäuden – oder haben sie schon eingeführt. Und der Ukraine-Krieg hat den Wunsch von Vermietern und Mietern nach größerer Autarkie im Energiebereich verstärkt.
Unter diesen Einflüssen und mit Blick auf die Zukunftsfähigkeit und Wertigkeit der eigenen Immobilien werden Investoren, Betreiber und Projektierer ihre Objekte künftig planen, sanieren und aussuchen müssen – und damit automatisch an der dezentralen Energieversorgung mitwirken. Dies eröffnet von der Belieferung an die eigenen Mieter oder andere Unternehmen über E-Ladestationen bis hin zur Einspeisung ins Netz viele Möglichkeiten rund um den eigenen Strom. Doch auf dem Weg dorthin wartet manche Hürde.
„Uns geht es in der Kooperation mit der Euref AG beim Campus in Düsseldorf in erster Linie um die Erfüllung unserer Nachhaltigkeitsziele“, sagt Patrick Brinker, Head of Real Estate Investment Management bei Hauck Aufhäuser Lampe. Während sich das Team um die Strukturierung, Finanzierung, Vermarktung sowie das spätere Management des Euref-Campus kümmert, liegt die Steuerung der Strom- und Energieversorgung bei den Stadtwerken Düsseldorf, die je nach Leistung des Energiesystems auf dem Campus Strom zuliefern oder abnehmen können. „An der Stromgewinnung selbst verdienen wir aber nicht“, so Brinker.
So geht es noch vielen Investoren. Der Grund: Kleine Mengen Solarenergie am Balkon oder vom Eigenheimdach sind für Privatpersonen steuerfrei. Wer aber so viel Energie gewinnt, dass er diese an Mieter oder Dritte vertreiben kann, erzielt gewerbesteuerpflichtige Einnahmen.
Steuerlich relevante Grenzen schränken dezentrale Energieversorgung ein
Bisher war die aktive Bewirtschaftung im Investmentsteuerrecht deutlich begrenzt. So dürfen Immobilien im Besitz eines steuerlichen Spezial-Investmentfonds Gewerbeeinnahmen aus der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bisher nur in Höhe von bis zu 9,9 Prozent ihrer Gesamteinnahmen erzielen. Übersteigen diese gewerblichen Einnahmen diese Grenze, wird der Fonds steuerlich aufgelöst und die bisherigen Wertzugewinne müssten versteuert werden – das wünscht sich niemand.
Doch dies könnte sich bald ändern. Um der Energiewende einen entscheidenden Schub zu geben, hat sich die Bundesregierung gerade auf den Entwurf für das sogenannte Zukunftsfinanzierungsgesetz geeinigt. Dies soll Offenen Immobilien- und Infrastrukturfonds künftig ermöglichen, in größerem Umfang auch Grundstücke ohne Gebäude zu erwerben, auf denen sich ausschließlich Anlagen für erneuerbare Energien befinden oder gebaut werden sollen – um hiermit Energie zu erzeugen.
Mit zwei Einschränkungen: Damit der Fonds seinen Charakter als Immobilienvermögensverwalter nicht verliert oder die Energieerzeugung zum Schwerpunkt wird, darf der Anteil der Freiflächen für erneuerbare Energien maximal 15 Prozent seiner Anlagewerte umfassen. Gleichzeitig sollen nur Grundstücke erworben werden dürfen, die im Bezug zum bisherigen Portfolio stehen. Einen echten Effekt sollten diese Regelungen aber erst bekommen, so warnen Beobachter, wenn die Bundesregierung auch das Investmentsteuergesetz entsprechend anpasst.
Gerade für Bestandshalter ist der Weg hin zu einer dezentralen Energieerzeugung komplex. Objekte mit Dachflächen von bis zu 80.000 Quadratmetern hält der Logistik- und Unternehmensimmobilien-Experte Garbe Industrial Real Estate. Flächen, die nicht umgewidmet, gekauft oder deren Nutzung mit Nachbarn geklärt werden müssten – alle frei für die eigene Stromgewinnung. Nur: „Teilweise können die hiesigen Netzbetreiber die Menge Strom nicht aufnehmen, die wir auf unseren Dächern erzeugen – oder erzeugen könnten“, sagt Rainer Pillmayer, Geschäftsführer der Gesellschaft Garbe Infrastructure, die den Ausbau und Betrieb erneuerbarer Energien und entsprechender Infrastrukturen für das Gesamtunternehmen europaweit betreut.

Mancher Immobilienbetreiber bleibt auf seinem Strom sitzen
Je nach Region und Netzbetreibergesellschaft muss die Einspeisung ins Netz bei jedem Objekt individuell geklärt werden. Bei Gewerbeflächen abseits der Ballungszentren fehlt es manchmal an Netzknotenpunkten zur Weiterleitung des Stroms oder passenden Abnehmern. Während der Kiesel auf großen Flachbauten im Logistikbereich in der Regel leichter gegen Solarpanels eingetauscht werden kann, ist die Tragfähigkeit anderer Gewerbedächer manchmal durch Klimaanlagenkomponenten oder Büroaufbauten begrenzt.
Auch der Anschluss an einzelne Gebäudeeinheiten, um verschiedene Mieter zu versorgen, muss gegeben sein. Die nachträgliche Installation einer PV-Anlage kann sich zu einem großen Bauprojekt auswachsen, das den Betrieb der Mieter stört. Und zuletzt kann in eng bebauten Gebieten ein Gebäude durch andere verschattet sein, sodass sich Solarpanels nicht lohnen. Selbst wenn alle Voraussetzungen stimmen, bleibt mancher Immobilienbetreiber auf seinem Strom sitzen. „Gewerbliche Mieter haben oft ihre eigenen Energiekonzepte oder langfristige Verträge mit Anbietern und möchten den hauseigenen Strom nicht abnehmen. Außerdem müssen Betriebs- und Verbrauchszeiten zum Solarstromertrag passen“, erklärt Pillmayer. Um alle Aktivitäten rund um die dezentrale Energieerzeugung wie die Nutzung, Weitergabe oder den Verkauf von Strom ebenso wie die Wartung der Anlagen für den riesigen Bestand zu bündeln, hat sich Garbe dazu entschieden, mit dem Unternehmen Garbe Renewable Energy (GREEN) eine eigene Gesellschaft zu gründen.
Dachflächen zur Stromgewinnung an Betreiber verpachten
Eine Alternative mit begrenztem administrativen und technischen Aufwand bietet die Verpachtung von Dachflächen an Gebäude- oder Solaranlagenbetreiber. Rund 7.000 bis 8.000 Kilowattstunden Strom kommen in der Spitze über die PV-Anlagen einiger Warenhäuser im Portfolio von Hauck Aufhäuser Lampe zusammen – genug, um Gebäude und E-Ladestationen zu versorgen. „Wir verfolgen eine für uns sinnvolle Strategie, über die wir eine umsatzabhängige Pacht für die Dachflächen erhalten“, sagt Patrick Brinker. „Das funktioniert aber nur mit guten Partnern, auf die man sich verlassen kann.“
Von Kathinka Burkhardt