
Die französische Hauptstadt steckt mitten in den Vorbereitungen für die Olympischen Sommerspiele 2024. Die Pläne der Stadt für einen besseren Nutzungsmix und eine nachhaltigere Gestaltung des urbanen Raums haben auch Auswirkungen auf den Markt für Büroimmobilien. Von Sara Seddon Kilbinger
Repräsentative Büroimmobilien in zentralen Lagen locken nach wie vor europaweit die Investoren an. In Paris wird jetzt ein neues städtebauliches Gesamtkonzept das Gesicht der Stadt verändern.
„Der PLU bioclimatique, der neue, auf Umwelt- und Klimaschutz ausgerichtete Bebauungsplan, der zurzeit öffentlich beraten wird und 2025 in Kraft treten soll, ist ein entscheidender Gamechanger“, erklärt Martin Schellein, Leiter Investment Management Europa bei Union Investment. „Der Stadtrat von Paris will die ökologische Transformation der französischen Hauptstadt vorantreiben und in zentralen Lagen mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen. Zugunsten eines besseren Nutzungsmix werden Büroflächen weichen müssen“, sagt der Experte.
Laut aktuellem Entwurf müssen demnach bei Neubauten und Sanierungen von Büroimmobilien mit einer Fläche von mehr als 5.000 Quadratmetern mindestens 10 Prozent Wohnflächen vorgesehen werden. „Ferner sollen annähernd 1.000 Gewerbeimmobilien im Pariser CBD teilweise in Wohnraum umgewandelt werden. Aufgrund der Mietpreisregulierung in Paris wirkt sich dies im Vergleich zur Büronutzung negativ auf den Kapitalwert der entsprechenden Flächen aus“, so Schellein weiter.
Mehr bezahlbarer Wohnraum könnte das Büroflächenangebot einschränken
Für die Bewohner der Stadt sind dies zweifellos gute Nachrichten. Investoren hingegen bereitet diese Entwicklung verständlicherweise Sorge: „Investoren müssen die Einbußen durch noch höhere Mieten und Kapitalwerte bei den verbleibenden Büroflächen ausgleichen“, warnt Schellein. „Die Nutzernachfrage konzentriert sich derzeit sehr stark auf zentral gelegene Büroimmobilien im Pariser CBD. Daher dürfte die Umsetzung des PLU bioclimatique das Verhältnis von Angebot und Nachfrage empfindlich stören und die Büromieten nach oben treiben.“
Der vom Pariser Stadtrat beschlossene PLU bioclimatique hat erhebliche Auswirkungen auf den Markt. Vermieter müssen vor allem im Westen der Stadt mit deutlichen Einschränkungen rechnen.
„Es ist für Investoren ein insgesamt schwieriges Marktumfeld. Wer sich aber strategisch gut aufstellt, wird an diesem äußerst begehrten Markt weiterhin Erfolg haben“, so die Überzeugung von Martin Schellein. David Bourla, Partner, Chefvolkswirt und Leiter Research bei Knight Frank in Paris, stimmt dem zu: „Der vom Pariser Stadtrat beschlossene PLU bioclimatique hat erhebliche Auswirkungen auf den Markt. Vermieter müssen vor allem im Westen der Stadt mit deutlichen Einschränkungen rechnen. Der politisch gewollte Nutzungsmix bringt viele Unsicherheiten mit sich. Investoren könnten künftig auf Projekte verzichten, bei denen 10 Prozent Wohnflächen integriert werden müssen. Durch die Kombination aus der Umnutzung bestehender Büroflächen und Zurückhaltung bei Sanierungsprojekten wird das Angebot an Grade-ABüroflächen knapper.“
Nach Angaben von Knight Frank lag das Transaktionsvolumen am Pariser Büroimmobilienmarkt im ersten Halbjahr 2023 bei 2,7 Millionen Euro und damit nur halb so hoch wie im Vorjahreszeitraum. Das Transaktionsvolumen aller Assetklassen betrug in der französischen Hauptstadt im letzten Jahr 27 Milliarden Euro. „In diesem Jahr wird der Wert schätzungsweise zwischen 12 und 15 Milliarden Euro liegen. Davon werden voraussichtlich 5 bis 6 Milliarden Euro auf Bürogebäude entfallen“, meint Bourla. „Das dritte Quartal wird wohl noch ruhiger verlaufen. Zahlreiche geplante Deals sind aufgrund der unterschiedlichen Preisvorstellungen von Verkäufern und Käufern bereits geplatzt. Aber Mitte 2024 könnte es wieder aufwärtsgehen.“
Investoren justieren Strategie nach Objektgröße, Kaufpreis und Finanzierung
Dabei entfallen die meisten Investments auf das CBD, laut Delphine Mahé, Leiterin Market Research bei JLL in Paris: „Am ehesten von Investment Committees für den Ankauf empfohlen werden sehr hochwertige Objekte im CBD, die das Portfolio aufwerten, aber nicht zu teuer sind. Ab einem Kaufpreis von 150 Millionen Euro wird es mit der Finanzierung nämlich schwierig.“ Die steigenden Finanzierungskosten führen dazu, dass viele Investoren ihre Strategie anpassen. Delphine Mahé: „Büroimmobilien im CBD zu Kaufpreisen unter 50 Millionen Euro sind derzeit am stärksten nachgefragt und machen 74 Prozent der Transaktionen aus. Dem Markt fehlt es zurzeit an Dynamik. Eigentümer halten ihre Objekte lieber im Bestand und investieren in die Verbesserung der Umweltverträglichkeit. Mit einer Markterholung ist frühestens 2024 zu rechnen, sofern sich bis dahin die Zinsentwicklung stabilisiert. Dann besteht auch in Bezug auf die potenziellen Marktwerte mehr Klarheit.“
Diese Meinung teilt auch Union Invest-ment-Experte Schellein: „Für größere Losgrößen ist nicht genügend Liquidität vorhanden. Es sind schon einige Transaktionen mit Volumen von mehr als 200 Millionen Euro gescheitert, weil der Zielpreis nicht erreicht wurde.“ Zugleich weist er auf einige größere Deals aus dem ersten Halbjahr 2023 hin. Unter anderem erwarben die Luxusgüteranbieter Kering und LVMH gemischt genutzte Objekte zur Eigennutzung. „Das durchschnittliche Transaktionsvolumen ist allerdings gesunken und liegt nun zwischen 50 und 100 Millionen Euro, wobei vor allem Versicherungen und Pensionskassen gezielt zugreifen“, fügt er hinzu.
Büroimmobilien im CBD zu Kaufpreisen unter 50 Millionen Euro sind derzeit am stärksten nachgefragt und machen 74 Prozent der Transaktionen aus.
Die Investitionen gingen bei Losgrößen von unter 50 Millionen Euro um 26 Prozent und bei Losgrößen von 50 bis 100 Millionen Euro um 36 Prozent zurück. Die meisten Transaktionen dieser mittleren Größenordnung wurden in Paris verzeichnet, wie etwa das Sale-and-lease-Back des Objekts 10 Rue Roquépine zwischen Banque Delubac & Cie und Oreima.
„Investoren und Mieter suchen in Paris nach umweltfreundlichen, sehr energieeffizienten Gebäuden. Diese sind aber am Markt rar“, erklärt David Bourla. „In den Vororten ist die Lage besonders schwierig, vor allem im Norden und Osten, wo die Viertel zum Teil verrufen sind und eine gute Verkehrsanbindung fehlt.“
Union Investment baut hochwertige Büros hinter historischen Fassaden
Seit Anfang 2021 hat Union Investment in Paris vier Immobilien im Gesamtwert von mehr als 400 Millionen Euro angekauft, drei im CBD sowie eine im 11. Arrondissement. Den Markteintritt in Lyon vollzog Union Investment im vergangenen Jahr mit dem Erwerb eines projektierten Bürogebäudes im Geschäftsviertel Part-Dieu für 100 Millionen Euro. In Paris hat das Unternehmen hauptsächlich im Value-add-Segment in leer stehende Objekte oder Objekte mit kurzen Mietvertragsrestlaufzeiten investiert, um hinter den historischen Fassaden nachhaltige, hochwertige Büroflächen entstehen zu lassen.
Auch historische Gebäude können nach der Sanierung ein EPC-Rating der Stufe B erreichen. Dazu Martin Schellein: „Wir streben die Klimaneutralität unseres Portfolios bis 2050 an. Daher investieren wir in großem Umfang in unseren Immobilienbestand.“ So hat Union Investment kürzlich das zweitgrößte Business Center im Portfolio, das Centre d’Affaires Paris Victoire im 9. Arrondissement, für 46 Millionen Euro modernisiert. Die Büroflächen sind größtenteils an die Bankengruppe CIC vermietet. Aktuell investiert Union Investment mehr als 90 Millionen Euro in die Sanierung von drei Büroimmobilien in Paris, die anschließend zu Spitzenpreisen vermietet werden sollen.
Union Investment wird sich weiterhin in den Pariser Toplagen, beispielsweise in den Geschäftszentren Etoile und Opéra, sowie in aufstrebenden Lagen engagieren. Im 11. Arrondissement, das noch kein etablierter Bürostandort ist, erwarb Union Investment kürzlich ein Objekt, das langfristig an das Institut français vorvermietet ist, wobei hier ein deutlicher Anstieg des Mietniveaus zu erwarten ist.
Starke Nachfrage im CBD treibt Spitzenmieten in nie da gewesene Höhen
„Die Leerstandsquote im CBD der französischen Hauptstadt liegt bei etwa 2 Prozent, in der Region Île-de-France beträgt sie 8 Prozent. Die Mieten in den dortigen Randlagen entwickeln sich seitwärts, es werden verstärkt Mieteranreize geboten“, stellt Martin Schellein fest. „Gleichzeitig sind die Spitzenmieten im CBD im Jahresvergleich um mehr als 5 Prozent gestiegen und haben inzwischen stellenweise ein Niveau von mehr als 1.000 Euro pro Quadratmeter und Jahr erreicht. Dabei wird sich die Mietpreisschere zwischen A- und B-Lagen weiter öffnen.“
Die starke Nachfrage nach Spitzenobjekten im CBD treibt die Mieten in nie da gewesene Höhen: Sie übersteigen nach Angaben von JLL inzwischen 950 Euro pro Quadratmeter und Jahr. Bei Gebrauchtimmobilien liegt der Wert bei 432 Euro pro Quadratmeter und Jahr und im Neubausegment bei durchschnittlich 426 Euro pro Quadratmeter und Jahr (siehe Grafik).

„Einige Unternehmen, die sich flächenmäßig verkleinern wollen, nutzen die Gelegenheit, um aus den Vororten in die Innenstadt zu ziehen. Die Mieten sind zwar höher, aber die Firmen gewinnen dort leichter neue Mitarbeitende“, erklärt David Bourla. „Langfristig ist angesichts der schwierigen Wirtschaftslage wohl mit einer leichten Absenkung des Mietniveaus im CBD zu rechnen“, so David Bourla weiter.

Generell neigen die Mieter in diesen Zeiten zur Vorsicht: „Aufgrund der steigenden Kosten ziehen seit Jahresanfang weniger Unternehmen um“, erklärt Delphine Mahé. Nach Angaben von JLL betrug der Büroflächenumsatz in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres in Paris 600.000 Quadratmeter. Die Mieten liegen derzeit auf einem neuen Höchststand. Aufgrund der Inflation und von der EZB vorgenommenen Zinserhöhungen werden vielerorts diesbezüglich Gespräche geführt. Unklar ist aber, wie stark das Mietniveau sinken wird. „Der Markt ist zwiegespalten: In Paris ist die Nachfrage nach Büroflächen sehr stark, in der umliegenden Region dagegen nicht, wobei das knappe Angebot in der Stadt auf das Umland belebend wirken könnte“, so die Expertin von JLL.
Bei den besten Objekten fragen Mieter teilweise jetzt schon an. Martin Schellein erklärt: „Wir sehen einen großen Unterschied in der Nachfrage nach Top- und Sekundärobjekten. Die Mieter suchen kleinere, aber hochwertigere Flächen in zentralen Lagen mit guter Verkehrsanbindung.“ Die Pariser Innenstadt entwickelt sich somit deutlich stärker als die Randlagen. „Generell lässt die Nachfrage am Mietmarkt nach. Trotzdem müssen Mieter, die sich Topobjekte sichern wollen, frühzeitig aktiv werden. Für unsere zuletzt erworbenen Büroimmobilien gibt es schon jetzt Interessenten, obwohl die Sanierung noch aussteht“, sagt Schellein.

Büroflächenumsatz sank gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 22 Prozent
Im ersten Halbjahr 2023 betrug der Büroflächenumsatz im Großraum Paris nach Angaben von JLL 816.200 Quadratmeter. Er lag damit 22 Prozent unter dem Vorjahreszeitraum. Der Nachfragerückgang war in allen Marktsegmenten spürbar. Bei mittelgroßen Flächen betrug er 17 Prozent, bei kleinen Flächen 15 Prozent und bei großen Flächen 34 Prozent. Für den Projektentwicklungsmarkt bleibt das nicht ohne Folgen: Nach Angaben von JLL werden in diesem Jahr in Paris voraussichtlich lediglich 700.000 Quadratmeter an Bürofläche fertiggestellt. 2021 lag der Wert noch bei 1,2 Millionen Quadratmeter.
Generell lässt die Nachfrage am Mietmarkt nach. Trotzdem müssen Mieter, die sich Topobjekte sichern wollen, frühzeitig aktiv werden.
Für Union Investment bleibt Paris der wichtigste Auslandsinvestitionsstandort, wenn es um den Ausbau des bestehenden Portfolios und die Expansion in weitere Assetklassen, insbesondere in Wohnimmobilien, geht. Das Unternehmen hat in den letzten Jahren speziell die Wohnimmobilienmärkte der Pariser Vororte Boulogne-Billancourt, Issy-les-Moulineaux, Neuilly und Levallois-Perret eingehend analysiert.
„Im Bereich Wohnimmobilien konzentrieren wir uns auf Neubauten und Projekte, die unsere Umweltanforderungen bereits erfüllen und keine weiteren Investitionen erfordern“, sagt Martin Schellein von Union Investment.

Bewerbung für Gold
Paris erlebt im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele 2024 einen wahren Bauboom. Auf einer 54 Hektar großen Industriebrache entsteht das neue Ökoquartier Clichy-Batignolles, das in Bezug auf Klimaschutz und Biodiversität höchste Anforderungen erfüllt.
Das neue Ökoquartier wird auf einem ehemaligen SNCF-Bahngelände im Norden des Stadtteils Batignolles im 17. Arrondissement errichtet. Es ist ein Vorzeigeprojekt für nachhaltiges, umweltfreundliches, klimaneutrales und energieeffizientes Bauen und richtet den Fokus zudem auf biologische Vielfalt, eine wassersensitive Stadtentwicklung und intelligentes Abfallmanagement.
Insgesamt werden in dem Viertel 200.000 Quadratmeter Wohnfläche geschaffen, davon die Hälfte Sozialwohnungen, 30 Prozent Eigentumswohnungen und 20 Prozent Mietwohnungen. Darüber hinaus sind 105.210 Quadratmeter Bürofläche, 28.000 Quadratmeter öffentliche Einrichtungen und 25.000 Quadratmeter für den Einzelhandel vorgesehen. Im Herzen des Quartiers befindet sich der 40.000 Quadratmeter große Martin- Luther-King-Park. Im Norden des Areals, wo der emblematische Justizpalast des Architekten Renzo Piano 160 Meter in die Höhe ragt, ist ein neuer öffentlicher Verkehrsknotenpunkt entstanden.

Städtebauliches Projekt startete 2001 und wird Ende 2023 abgeschlossen sein Das Viertel wurde 2016 durch das Ministerium für Wohnungsbau und nachhaltiges Wohnen als Ökoquartier zertifiziert und bei den internationalen Green City Solutions Awards mit dem Sustainable City Grand Prize ausgezeichnet. Zudem wurde hier das erste intelligente Stromnetz in Paris mit Mitteln der Europäischen Union gefördert. Mit den Planungen für das Ökoquartier Clichy-Batignolles wurde 2001 begonnen, wobei mit Blick auf die Bewerbung für die Olympischen Spiele 2012 das Olympische Dorf bereits einbezogen wurde. „Die Büromieten von rund 330 Euro pro Quadratmeter und Jahr sind hier deutlich erschwinglicher als im Stadtzentrum, wo sie bei 950 Euro liegen“, so Delphine Mahé von JLL. Der nahe gelegene Vorort Saint-Denis ist die zentrale Austragungsstätte der Olympischen Spiele 2024. Von dort aus ist das Stadtzentrum von Paris mit dem Zug in nur circa 20 Minuten zu erreichen. Seit 2017 fährt die Straßenbahnlinie T3b ab Porte d’Asnières in Richtung Saint-Denis und die Streckenverlängerung der Metrolinie 14 ging 2020 in Betrieb.
Delphine Mahé hält die Planung des Ökoquartiers einschließlich der Ansiedlung des Justizpalastes und der Pariser Polizeibehörde für ein gelungenes städtebauliches Projekt. „Hier entstehenWohnflächen für 7.500 Menschen und etwa 12.700 neue Arbeitsplätze. Das Stadtentwicklungsprojekt wird Ende 2023 abgeschlossen sein“, erklärt sie.
Von Sara Seddon Kilbinger