
Logistik, Produktion oder Dienstleistungen? Light-Industrial-Immobilien bieten Raum für ganz unterschiedliche Nutzungen. Die genaue Abgrenzung der Assetklasse ist nicht einfach – doch ihr großes Potenzial überzeugt immer mehr Investoren. Von Christian Hunziker
Light Industrial? Noch ist dieser Begriff nicht allen Immobilienmarktakteuren geläufig. Wenn er überhaupt erwähnt wird, dann meist als Anhängsel von Logistikimmobilien, die mittlerweile – neben Büro-, Einzelhandels-, Wohn- und Hotelimmobilien – als etablierte Assetklasse gelten. Doch mit dem Nischendasein könnte es bald vorbei sein. „Light Industrial rückt verstärkt in das Interesse von Investoren und etabliert sich zunehmend als eigenständige Immobilien-Assetklasse“, sagt Michael Morgenroth, CEO des Kreditfonds-Anbieters Caerus Debt Investments. Martin Czaja, Partner beim Berliner Light-Industrial-Spezialisten Inbright, bestätigt, dass sich die Assetklasse zunehmend behauptet. „Viele Investoren haben angekündigt, in diesem Segment verstärkt aktiv werden zu wollen“, sagt Czaja. „Auch die Anzahl paneuropäischer Investitionsvehikel in diesem Bereich hat zugenommen.“
Ein Beispiel dafür ist der Edmond de Rothschild Euro Industrial Real Estate Fund, der in Light-Industrial-Objekte in den Beneluxländern, Frankreich und Deutschland investiert. Andere Investoren bestücken ihre Logistikfonds mit Light-Industrial-Immobilien. So sicherte sich Union Investment im Frühjahr 2022 eine Logistik- und Produktionshalle in Kassel, die nach ihrer Fertigstellung Mitte 2023 in den Logistik-Spezialfonds UII Garbe Logistics Real Estate Fund Eingang finden wird. Als Nutzer des Projekts steht der Komponentenhersteller Hexagon Purus fest.
Noch ist das Marktsegment recht intransparent
Was aber kennzeichnet diese Assetklasse? „Light-Industrial-Immobilien“, lautet die Definition von Johannes Nöldeke, Partner bei Inbright, „sind Gewerbeobjekte, die eine Mischung unterschiedlicher Nutzungen – unter anderem Büros, Labore für Forschung und Entwicklung, Fertigung, Lagerung und Logistik – aufweisen, in der Regel mindestens 10.000 Quadratmeter groß sind und sich in innerstädtischen oder stadtnahen Lagen befinden.“ Reine Logistikobjekte gehören also ebenso wenig in diese Kategorie wie Produktionsstätten, die mit hohen Lärm- oder Geruchsemissionen verbunden sind.
Im deutschsprachigen Raum spricht man auch von Unternehmensimmobilien oder Gewerbeparks. Dabei ist der Begriff „Light Industrial“ nicht eindeutig definiert, wie Rainer Koepke, Head of Industrial & Logistics Germany bei der Immobilienberatungsgesellschaft CBRE, sagt. Nach seinen Worten werden in anderen europäischen Ländern darunter auch kleinere Lagerhallen und große Produktionshallen verstanden.
Light-Industrial-Objekte sind deutlich managementintensiver und die Anforderungen der Nutzer viel individueller als bei großen Lagerhallen.
In den europäischen Marktberichten der großen Beratungsgesellschaften wird das Light-Industrial-Segment unter dem Oberbegriff „Industrial & Logistics“ abgehandelt. Genaue Angaben zu Transaktionsvolumina, Spitzenrenditen und Mieten lassen sich deshalb in gesamteuropäischer Perspektive nicht machen. Etwas präziser sind die Informationen zum deutschen Markt. Laut der Initiative Unternehmensimmobilien, zu der sich mehrere große Marktakteure zusammengeschlossen haben, umfasst der deutsche Light-Industrial-Markt nicht weniger als 565 Milliarden Euro, womit er fast so groß ist wie das Bürosegment. Vergleichsweise bescheiden ist hingegen das Transaktionsvolumen in Deutschland, das die Initiative für das Jahr 2021 auf 4,3 Milliarden Euro beziffert.
Dabei bieten Light-Industrial-Immobilien aus Investorensicht zahlreiche Vorteile, wie Stephan Riechers, Leiter Logistikinvestments bei Union Investment Real Estate GmbH, sagt. So garantieren sie nach seinen Worten durch die diversifizierte Mieterbasis eine breite Risikostreuung sowie eine gute Drittverwendungsmöglichkeit. Zudem erhöhe die geringe Mobilität der Mieter die Resilienz dieser Assetklasse. „Das Segment“, sagt Riechers, „ist ein schlafender Riese, da viele Immobilien noch im Eigenbestand von Produktionsunternehmen liegen.“
Deglobalisierung und ESG bringen Bewegung in den Markt
Das aber dürfte sich jetzt ändern, vermutet Inbright-Partner Martin Czaja. Die wachsende Bedeutung der ESG-Kriterien erfordere es, den Bestand nachhaltig zu machen – und das könnten die bisherigen Eigentümer oft nicht finanzieren, argumentiert er. Auch der Umbruch der Automobilindustrie erhöhe das Angebot, da die Autobauer neue Flächen benötigten, die stärker forschungs- und weniger produktionsorientiert seien. „Und schließlich“, so Czaja, „führt der Trend der Deglobalisierung und des Re- und Nearshorings dazu, dass die Produktion nach Europa zurückkommt.“
Investoren können nach Angaben von Inbright eine Rendite erwarten, die um 50 bis 100 Basispunkte über der von Logistikimmobilien liegt. „Das liegt daran, dass Light-Industrial-Objekte deutlich managementintensiver und die Anforderungen der Nutzer viel individueller sind als bei großen Lagerhallen, die an einen einzigen Nutzer vermietet sind“, begründet dies Partner Johannes Nöldeke. Höher sind auch die Mieten: CBRE-Experte Rainer Koepke zufolge übersteigen sie die Mieten von reinen Logistikhallen um 10 bis 20 Prozent.
Allerdings sei auch der Bau teurer als der von Logistikobjekten, erklärt Koepke weiter. „Zwar entfallen oft die Sprinkleranlagen, da die Hallenteile kleiner sind. Dafür braucht es aber mehr Fenster, und die Außenflächen und der Eingangsbereich müssen aufwendiger gestaltet werden.“ Von entscheidender Bedeutung sei es zudem, die Drittverwendungsfähigkeit zu schaffen, sagt Inbright-Fachmann Nöldeke. „Damit zum Beispiel eine Logistikhalle nach Ablauf des Mietvertrags in eine Produktionshalle umgenutzt werden kann, muss die Halle auf 21 Grad Celsius beheizbar sein, und der Zugang muss die Anforderungen unterschiedlicher Nutzer berücksichtigen“, verdeutlicht er dies.
Apropos Nutzer: Dabei handelt es sich beispielsweise um mittelständische Produktionsfirmen, Servicegesellschaften, E-Commerce-Anbieter und Logistiker. Und manchmal sind auch Exoten dabei: Die Bandbreite, so Rainer Koepke, sei so groß, dass in einem Light-Industrial-Objekt auch mal eine Kletterhalle Platz finden könne.
Von Christian Hunziker