
„Ich rechne fest mit sinkenden Preisen“
Michael Bütter, Vorsitzender der Geschäftsführung der Union Investment Real Estate GmbH, über die Folgen der Zinswende. Interview von Christian Hunziker
Herr Bütter, wie wirkt sich die Zinswende auf die Geschäftstätigkeit von Union Investment Real Estate aus?
Auf unsere Privatkundenfonds wirkt sich die Zinswende weniger stark aus als auf unser institutionelles Geschäft. Denn die Publikumsfonds sind überwiegend Eigenkapitalfonds, und bei diesen verengt sich die Marge – anders als bei am Kapitalmarkt befindlichen Vehikeln – durch den Zinsanstieg nicht. Im institutionellen Geschäft hingegen sehen die Kapitalquellen in ihrem Geschäftsmodell natürlich einen Leverage-Effekt vor. Zurzeit gibt es jedoch keinen positiven Leverage-Effekt, weil die erzielbaren Anfangsrenditen noch unter den Fremdkapitalkosten liegen. Dann ergibt ein Geschäft keinen Sinn.
Wann sinken die Zinsen wieder?
Einige Gründe sprechen dafür, dass die Fremdfinanzierungszinsen in der EU noch auf etwa 4 Prozent steigen und dann auf einem Plateau verharren werden. Ein noch höheres Niveau wäre mit erheblichen Verwerfungen für die europäische Währungsunion verbunden. Für unser Geschäft ist die entscheidende Frage, ob sich bis dann die Preise im Ankauf so stark reduziert haben, dass wir wieder einen positiven Leverage-Effekt erzielen können. Momentan müssen wir uns in Geduld üben.
Bedeutet das, dass Sie im institutionellen Bereich zurzeit gar keine Ankäufe tätigen?
Wir haben durchaus einige Opportunitäten, aber diese sind rar gesät. Die meisten Verkäufer verlangen noch die Preise von gestern für die Produkte von morgen. Deshalb dauern die Verhandlungen jetzt länger.
Und wann werden die Preise fallen?
Auf jeden Fall rechne ich fest mit sinkenden Preisen, da die Verkäufer sonst auf ihren Produkten sitzen bleiben würden. Dabei wird – zumindest in Deutschland – der Preisrückgang bei Wohnimmobilien deutlich geringer ausfallen als bei gewerblich genutzten Immobilien. Die entscheidende Frage ist aber, wie lange wir uns in Geduld üben müssen. Ich rechne damit, dass wir Ende 2022 oder im Frühjahr 2023 wieder funktionierende Märkte haben und zumindest teilweise attraktive Rahmenbedingungen vorfinden werden. Dabei ist dieser Zeitpunkt stark davon abhängig, wie sich Inflation und Zinsniveau entwickeln. Und falls wir in eine Rezession schlittern sollten, würden sich die Rahmenbedingungen ohnehin noch einmal grundlegend verändern.

Wie sehen Sie die Chancen beim Ankauf von Projektentwicklungen?
Einerseits ist das Neuprodukt rarer gesät als in der Vergangenheit, weil viele geplante Vorhaben nicht realisiert werden. Andererseits sind auf Käuferseite weniger Player unterwegs als noch vor wenigen Monaten. Eigenkapitalstarke Investoren wie Union Investment werden dabei leichter zum Zuge kommen als Private-Equity-Investoren, die mit höherer Leverage arbeiten.
Schließen Sie weiterhin Forward Deals ab?
Ja – unter drei Voraussetzungen: Der Developer muss extrem bonitätsstark sein und Gewähr dafür bieten, dass er das Projekt in der geplanten Zeit und im vereinbarten Kostenrahmen herstellen kann. Zweitens muss der Preis stimmen. Und drittens müssen Sicherheiten vorliegen für den Fall, dass der Developer doch höheren Baukostenrisiken ausgesetzt ist. Wir akzeptieren keine Preisgleitklauseln und sind grundsätzlich nicht bereit, Verträge nachzuverhandeln. Das Risiko steigender Preise muss der Developer für sich einpreisen. Denn die Baukosten waren immer das unternehmerische Risiko des Developers – ich habe es auch umgekehrt noch nie erlebt, dass der Entwickler einen späteren Kaufpreisnachlass angeboten hat, weil er das Projekt zu einem niedrigeren Baupreis fertigstellen konnte. Die Projektentwickler haben jetzt viele Jahre lang gut verdient, und ich hoffe doch sehr, dass sie ein paar Rücklagen für schwierige Zeiten gebildet haben.
Stockt im institutionellen Geschäft der Nachschub an Kapital?
Er stockt in der Tat, und zwar aus zwei Gründen: Manche Investoren müssen als Reaktion auf den Einbruch der Aktienmärkte eine Reallokation des Kapitals vornehmen. Und bei Alternativanlagen wie zum Beispiel einer zehnjährigen Staatsanleihe oder einem Unternehmensbond sind die Renditen mittlerweile so attraktiv, dass das Produkt in Konkurrenz zur Immobilie steht. Beide Faktoren sind aber kurzfristiger Natur. Institutionelle Investoren parken derzeit ihr Geld und warten ab. Ich bin überzeugt: Sobald sich die Immobilienpreise normalisiert haben, kehrt das Kapital zurück.
Interview von Christian Hunziker