
Mit den Leitzinserhöhungen geraten auch die Immobilienmärkte unter Druck. Für Investoren wird es immer herausfordernder, reale, das heißt inflationsbereinigte Renditen zu erzielen. Von Emma Robson
Die Transaktionszahlen werden vor dem Hintergrund steigender Zinsen sinken, und stark fremdfinanzierte Investoren werden sich temporär vom Markt zurückziehen“, so Olaf Janßen, Leiter Immobilien Research bei Union Investment. „Rückläufige Fertigstellungen entlasten den Markt, aber im aktuellen Umfeld können höhere Kapitalwerte nur durch steigende Mieten realisiert werden. Dafür ist ein robustes Wirtschaftswachstum erforderlich.“ Der Experte rechnet mit einer Zunahme der Insolvenzen bei Projektentwicklern und empfiehlt Anlegern, in Fondsprodukte mit einem großen Bestandsportfolio mit nachhaltiger Bewertung und geringem Fremdkapitalanteil zu investieren. „Kreditgeber dürften ihr Augenmerk bei der Finanzierung von Immobilien auf die Bonität der Mieter sowie die Cashflow-Situation richten“, erklärt Nick Harris, Leiter UK and Cross Border Valuation bei der Immobilienberatung Savills. „Der zukünftige Investitionsbedarf während der Haltedauer einer Immobilie stellt sowohl für Kreditgeber als auch für Anleger momentan eine Herausforderung dar, denn die Baukosten sind bereits sehr stark gestiegen und ein Ende ist noch nicht in Sicht. In der Folge kommen Finanzierungsmodelle durch die Kreditgeber verstärkt auf den Prüfstand.“
PGIM Real Estate, die Immobiliensparte der weltweit tätigen US-Vermögensverwaltungsgesellschaft PGIM, die ein Immobilienvermögen von 209 Milliarden US-Dollar managt, rät ihren Kunden: „Konzentrieren Sie sich auf Nutzungsarten und Immobilienmärkte mit sicheren Mieteinnahmen, in denen die Flächennachfrage strukturell gestützt wird.“
Phasen langsamen Wachstums sowie Rezessionen gehen mit steigenden Arbeitslosenzahlen und sinkenden Konsumausgaben einher. Daher sind Einzelhandel, Freizeit und Gastgewerbe mit als Erste von einem wirtschaftlichen Abschwung betroffen und verzeichnen entsprechend rückläufige Umsätze. Im Gegensatz dazu gehören Essen und Wohnen zu den Grundbedürfnissen des Menschen, sodass sich mit Immobilien des Lebensmitteleinzelhandels sowie Wohnimmobilien tendenziell höhere Gesamterträge erzielen lassen. In einer Rezession empfiehlt PGIM eine Untergewichtung der Nutzungsarten Einzelhandel und Hotel sowie eine Übergewichtung von Wohnimmobilien mit Fokus auf erschwingliche Einfamilienhäuser und Seniorenwohnanlagen.
Wertentwicklung und Mieternachfrage folgen aus dem Wirtschaftswachstum
Eine möglicherweise zu erwartende Entwicklung, nämlich die sogenannte Stagflation, wäre für die Immobilienwirtschaft jedoch eher ungünstig, da sind sich Ökonomen einig: Eine stagnierende Wirtschaftsleistung bei steigenden Preisen kann hoch verschuldete Länder in die Rezession und stark verschuldete Unternehmen in den Konkurs treiben. Nach Analystenmeinung bieten die Immobilienmarktsegmente, in denen sich zuverlässig Mieterträge erzielen lassen, einen weitgehenden Inflationsschutz, sofern im Mietvertrag eine entsprechende Mietpreisanpassungsklausel vereinbart wurde. Dazu zählen unter anderem Büro-, Wohn- und Logistikimmobilien.
„Der wichtigste Faktor für die Wertentwicklung von Immobilien ist die sich aus dem Wirtschaftswachstum ergebende Mieternachfrage“, so die Immobilienberatung Avison Young, die in einer Studie die historischen Korrelationen auf den Immobilienmärkten der USA, Großbritanniens und Kanadas untersucht hat. Ihr Fazit: „Die Korrelation zwischen dem jährlichen Gesamtertrag einer Immobilie und dem BIP-Wachstum ist in allen drei Ländern deutlich stärker als die mit der Inflation.“
Phasen langsamen Wachstums sowie Rezessionen gehen mit steigenden Arbeitslosenzahlen und sinkenden Konsumausgaben einher. Daher sind Einzelhandel, Freizeit und Gastgewerbe mit als Erste von einem wirtschaftlichen Abschwung betroffen und verzeichnen entsprechend rückläufige Umsätze. Im Gegensatz dazu gehören Essen und Wohnen zu den Grundbedürfnissen des Menschen, sodass sich mit Immobilien des Lebensmitteleinzelhandels sowie Wohnimmobilien tendenziell höhere Gesamterträge erzielen lassen. In einer Rezession empfiehlt PGIM eine Untergewichtung der Nutzungsarten Einzelhandel und Hotel sowie eine Übergewichtung von Wohnimmobilien mit Fokus auf erschwingliche Einfamilienhäuser und Seniorenwohnanlagen.

Trotz abflauendem Logistikboom bleibt das Mietsteigerungspotenzial hoch
Das Segment Logistik- und Industrieimmobilien ist unter Anlegern sehr beliebt. Dieses Marktsegment ist in den letzten Jahren exponentiell gewachsen, weil sich das Einkaufen vom stationären Einzelhandel ins Internet verlagert hat. Gleichzeitig produzieren immer mehr Hersteller in der Nähe ihrer Absatzmärkte, um ihre Lieferketten zu verkürzen. Beide Trends haben während der Pandemie noch einmal an Dynamik gewonnen.
Doch insgesamt schwächt sich der „Logistikboom“ derzeit stark ab. Die Bauzeiten verlängern sich aufgrund strengerer Planungsvorgaben. Die Baukosten schnellen in die Höhe. Hinzu kommen Lieferengpässe bei Baumaterialien und die Schwierigkeit, Bauunternehmen zu finden, die zeitnah mit der Umsetzung des Bauvorhabens beginnen können. Trotz der diversen Herausforderungen raten Analysten weiterhin zu einer Übergewichtung von Logistik- und Industrieimmobilien, da das Mietpreissteigerungspotenzial in diesem Segment immer noch sehr hoch ist.
Wohnimmobilien bieten gute Wachstumschancen bei geringem Risiko
Angesichts des in den meisten Großstädten Europas vorherrschenden Wohnungsmangels dürfte der Wohnimmobilienmarkt weiterhin zuverlässige Wachstumsperspektiven bieten. Das gilt vor allem dann, wenn die Mieten an die Inflation gekoppelt sind. Insbesondere Nischenprodukte wie zum Beispiel Seniorenwohnheime, betreutes Wohnen, preisgünstiges Wohnen und Studentenwohnheime weisen nach Ansicht von Analysten gute Wachstumschancen bei einem relativ geringen Risiko auf. „Mit Wohnimmobilien lassen sich auch in schwierigen Marktphasen stabile Mieterträge erzielen. Sie stellen eine gute Ergänzung zum konjunkturabhängigen Gewerbeimmobilienmarkt dar“, so der deutsche Bundesverband Investment und Asset Management (BVI).

Büroimmobilien: Schwerpunkt auf ESG, Life-Science- und Technologiezentren
Während einer Stagflation empfiehlt die Vermögensverwaltungsgesellschaft PGIM, Investitionen in Büroobjekte mit Schwerpunkt auf Optimierungsmaßnahmen im Bereich ESG (Umwelt, Soziales und nachhaltige Unternehmensführung) sowie auf Life-Science- und Technologie-Standorte zu beschränken. Insgesamt gesehen dürfte das geringere Wirtschaftswachstum die Nachfrage nach Büroflächen dämpfen, wobei sich in einigen Bereichen durchaus attraktive Renditen erzielen lassen. Europas Büroimmobilien müssen dringend energetisch saniert werden, wenn sie die Anforderungen des Green-Deal-Programms der EU erfüllen sollen. Dieser Dekarbonisierungsprozess erfordert umfangreiche Investitionen.
In den Niederlanden etwa müssen neue Gewerbeimmobilien ab dem Jahr 2023 mindestens ein Energielabel der Energieeffizienzklasse C haben. Nach Recherchen des Immobilienberaters Colliers haben aber 38 Prozent der niederländischen Bürogebäude aktuell überhaupt kein Energielabel und 10 Prozent ein Energielabel, das die Energieeffizienzklasse C nicht erreicht.
In Großbritannien müssen Eigentümer von Büroimmobilien seit April 2021 eine Energieeffizienzklasse der dortigen Klassifizierung von mindestens E vorweisen, wenn sie diese vermieten wollen. Die Immobilienberatung Savills schätzt, dass 10 Prozent der Bestandsimmobilien in Großbritannien nicht einmal diese Mindestanforderung erfüllen. In Anbetracht der grundlegend veränderten Inflations- und Zinserwartungen in diesem Jahr und deren negative Auswirkungen auf den Investitionsmarkt stellt sich die Frage, wie Europa seine selbst gesteckten Green-Deal-Ziele für die gebaute Umwelt erreichen und die Wohnungskrise bewältigen kann.
Das unabhängige Marktforschungsnetzwerk Euroconstruct, das die Entwicklung der europäischen Bauwirtschaft prognostiziert, meldet ein sich abschwächendes Wachstum der Bautätigkeit in Europa. So lag die Wachstumsrate 2021 aufgrund von pandemiebedingten Nachholeffekten bei 5,6 Prozent.
2022 wird diese der Euroconstruct-Prognose zufolge wieder auf ein normales Niveau von 2,3 Prozent sinken und bis Ende 2023 auf diesem Niveau eine Seitwärtsbewegung machen. Für das Jahr 2024 sagen die Marktforscher einen weiteren Rückgang der Wachstumsrate auf 1,3 Prozent voraus.
Noch ist unklar, ob die Zentralbanken die Zinssätze so geschickt anheben können, dass die westlichen Volkswirtschaften eine sogenannte weiche Landung erleben. Das heißt, dass das Wachstum nicht abgewürgt und gleichzeitig verhindert wird, dass sich bei Unternehmen und Verbrauchern höhere Inflationserwartungen verfestigen. Bei einer zu straffen Geldpolitik droht eine „harte Landung“ mit einer Rezession. Deshalb werden Immobilieninvestoren wohl eine defensive „Risk-off“-Einstellung wählen, bis sich der Konjunkturnebel gelichtet hat. Ertragsorientierte Bestandsportfolios mit nachweislichem Anlageerfolg, geringem Fremdfinanzierungsgrad und Mietpreisindexierung in Immobiliensegmenten, die einem wirtschaftlichen Abschwung eher standhalten können, dürften in den kommenden Monaten der sicherste Hafen für Anleger sein.
Von Emma Robson