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EU-Richtlinien zugunsten von mehr Nachhaltigkeit beeinflussen die Asset-Allokation der Pensionsfonds. Profitieren könnte der Wohnimmobiliensektor. Von Steve Hays
Flutkatastrophen in Europa, Hitzewellen weltweit und die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich verstärken den Druck auf die institutionellen Investoren, sich Anlageobjekten zuzuwenden, die am meisten zur Lösung der existenziellen Herausforderungen Klimawandel und soziale Ungleichheit beitragen können.
Die gebaute Umwelt und dabei insbesondere der Wohnimmobilienbereich ist für 40 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Darüber hinaus wird in dem extrem ungleichen Zugang zu bezahlbarem Wohnraum die soziale Ungleichheit deutlich. Daher muss die Immobilienbranche bei der Suche nach schnellen, umfassenden Lösungen für diese globalen Krisen unbedingt eine zentrale Rolle spielen. Die institutionellen Anlagemodelle in Europa, die den Fokus auf finanzielle Risikokennzahlen wie zum Beispiel Preisvolatilität und Diversifizierung in den Hauptanlageklassen Rentenwerte und Aktien richten, haben dazu geführt, dass der Immobilienanteil in den Portfolios im Durchschnitt bei lediglich circa 10 Prozent liegt.
Bei einigen institutionellen Anlegern in Deutschland liegt der Immobilienanteil bereits heute bei 35 Prozent, marktüblich sind aber eher 10 Prozent.
Institutionelle Anleger überdenken die Höhe ihrer Immobilienquote
Die Europäische Kommission strebt nun ein ESG-Accounting bei der Finanzierung von Pensionsfonds an. Danach sollen neben den klassischen Finanzrisiken auch klimabezogene und gesellschaftliche Risiken im Portfolio berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund könnte eine grundlegende Neubewertung von Immobilien und insbesondere von Wohnimmobilien in institutionellen Beständen anstehen.
„Der künftige EU-Rahmen für die Berücksichtigung von ESG-Kriterien bei institutionellen Investitionen wird eine Entwicklung beschleunigen, die sich schon seit 20 Jahren abzeichnet. Energieeffizienz, soziale Folgen, verantwortungsbewusste Kapitalverwaltung und der Immobilienlebenszyklus insgesamt rücken stärker in den Fokus. Anleger fordern ESG-Lösungen bei ihren bestehenden und künftigen Investments“, so Maximilian Brauers, der im institutionellen Geschäft von Union Investment den Vertriebsbereich Immobiliengroßkunden leitet. „Niedrige Zinsen, eine absehbare Erholung nach der Covid-19-Pandemie, eine strukturell höhere Inflation und gestiegene ESG-Anforderungen bieten beste Voraussetzungen für Immobilieninvestitionen in den kommenden Jahren. Wir rechnen mit entsprechend hohen Allokationen institutioneller Anleger. Bei einigen institutionellen Anlegern in Deutschland liegt der Immobilienanteil bereits heute bei 35 Prozent, marktüblich sind aber eher 10 Prozent“, so Brauers weiter.
Niederländische Rentenreform als Motor einer riesigen Kapitalrotation
Ob Investoren von finanzorientierten Anlagemodellen zu einem umfassenderen Risiko- und Ertragskonzept übergehen, das auf „bahnbrechende“ Lösungen für Klima und Gesellschaft abzielt, wird sich im größten institutionellen Kapitalpool der EU wohl bald zeigen. Denn im Rahmen radikaler Reformen, die 2027 in Kraft treten sollen, wird das niederländische Betriebsrentensystem, in dem 1,7 Billionen Euro verwaltet werden, von einem leistungsorientierten auf ein beitragsorientiertes System umgestellt. Somit wird das Anlagerisiko künftig von den einzelnen Beitragszahlern getragen. Laut Schätzungen von Axa IM könnten dadurch bis zu 300 Milliarden Euro von äußerst renditeschwachen Staatsanleihen vorwiegend in Unternehmensanleihen fließen.
Ein neuer europäischer Rahmen für die Rentenfinanzierung nach ethischen Prinzipien würde jedoch die interessante Perspektive eröffnen, dass ein großer Teil dieser riesigen Kapitalrotation auch in die umweltfreundliche Sanierung von Bestandsimmobilien sowie in den Bau von einer Million bezahlbaren Wohnungen fließen könnte, die in den Niederlanden Schätzungen zufolge derzeit fehlen.

In keinem anderen europäischen Land ist die Bedrohung des Klimawandels so tief im Bewusstsein der Menschen verankert wie in den Niederlanden, denn schließlich leben 40 Prozent der Niederländer unterhalb des Meeresspiegels. Die Gefahren, die schon immer von den steigenden Fluten ausgingen, haben auch das „Poldermodell“ der gesellschaftlichen Zusammenarbeit entstehen lassen. Unterschiedliche Interessengruppen schlossen sich zusammen, um Schutzdeiche zu bauen und instand zu halten. Ein Altersvorsorgesystem, das nach dem Poldermodell den Klimawandel und die soziale Ungleichheit angeht und Investitionen in Wohnimmobilien nach strengen ESG-Kriterien vorsieht, könnte unter der Führung des niederländischen Vizepräsidenten der EU-Kommission Frans Timmermans auch der Umsetzung des Green Deal Schwung verleihen, mit dem die EU bis 2050 CO2-neutral werden will.
Von Steve Hays