Entwickeln für Post-Corona

Nach der pandemiebedingten Flucht in die Sicherheit gewinnen Value-Add- und Manage-to-Core-Strategien wieder an Attraktivität. Investoren schätzen deren Gestaltungsspielraum – auch mit Blick auf grüne Features. Von Christine Mattauch

Es war, mitten in der Pandemie, eine gute Nachricht für die Branche. Für 72 Millionen Euro erwarb Vermögensverwalter Barings im Herbst 2020 eine Büroimmobilie im Zentrum von Stockholm. Ein typischer Value-Add-Deal: In zwei Jahren, nach Auszug der Mieter, wird Skvalberget 33 ein neues Foyer erhalten, moderne Gemeinschaftsflächen sowie eine Dachterrasse. Ein Anbau soll die bisherige Fläche von 6.200 Quadratmetern deutlich erweitern. „Genau diese Themen trauen wir uns zu“, sagt Gunther Deutsch, Head of Real Estate Transactions Europa bei Barings. 


Core Plus und Value-Add sind wieder gefragt am Büroimmobilienmarkt

Ungenutzte Potenziale heben und dadurch Miet- und Wertsteigerungen erzielen – an solche Strategien wagten sich nur wenige, als Covid-19 besonders stark grassierte. Jetzt werden Value-Add und Manage to Core wieder attraktiver. „Das Segment hat angezogen“, bestätigt Nico Keller, Deputy CEO von BNP Paribas Real Estate. 40 Prozent derjenigen, die sich schon einmal mit Value-Add befasst haben, wollen künftig gleich viel oder sogar mehr in das Segment investieren; nur 14 Prozent wollen dort weniger aktiv sein. Das ergab im Frühjahr eine Umfrage der Münchner Kapitalverwaltungsgesellschaft Wealthcap unter 1.500 Investoren. 


Nicht nur Spezialisten, auch immer mehr traditionell konservative Investoren interessieren sich für Anlagen mit Aufwärtspotenzial. Neben Private-Equity-Fonds sind derzeit vor allem Core-Investoren aktiv, die ihre Strategie diversifizieren, beobachtet Keller. Auch große Privat­anleger sind aufmerksam. So sagt Kristina Chorna, Co-Head Real Estate bei HQ Trust, dem Multifamily Office der Familie Harald Quandt: „Jetzt ist eine gute Zeit, um Opportunitäten im Core-Plus- und Value-Add-Bereich am Büroimmobilienmarkt wahrzunehmen.“


Investoren brauchen ein deutlich tieferes Verständnis der Wertschöpfungskette und sollten den Markt gut kennen, um keine Überraschungen zu erleben.
Julian Schnurrer, Leiter Produktmanagement, Strukturierung und Strategie, Wealthcap

Das findet auch Barings-Europachef Deutsch. Im Krisenjahr 2020 hat der Investmentmanager in Europa Value-Add-Deals im Umfang von 330 Millionen Euro abgeschlossen. 2021 beläuft sich das Volumen, Stand Mitte Juli, bereits auf 408 Millionen Euro. Weitere Deals für 320 Millionen Euro sind laut Deutsch in der Pipeline, überwiegend Logistik- und Office-Immobilien: „Wir sind nach wie vor große Büro-Fans.“ Deutsch glaubt, dass Nutzer in der Zeit nach Covid moderne Qualitätsimmobilien in guter Lage wieder stark nachfragen werden. So wie das einstige Schulgebäude in der Rue Saint-Maur in Paris, ein historisches Schmuckstück mit loftartigen Räumen. Barings hatte die Immobilie im April erworben, um sie zu Core aufzuwerten, mit einer Nachhaltigkeitszertifizierung nach BREEAM. 


Rendite- und Nachhaltigkeitspotenziale stehen im Fokus der Investoren

Repositionierung birgt Risiken. Deshalb verspricht sie höhere Renditen, meist im zweistelligen Bereich, auch heute noch. Was sich gegenüber früher geändert hat, sind die Anforderungen ans Produkt: Durch Manage-to-Core-Strategien können ältere Gebäude nachhaltiger und damit attraktiver werden. Investment­experte Keller sieht darin einen Treiber für Modernisierung: „Der Bestand wird sehr genau unter die Lupe genommen.“­ Aus Sicht von Monika Gerdes, Head of Manage to Core bei Union Investment, muss eine Immobilie schon heute grundsätzliche Nachhaltigkeitsbedingungen erfüllen, damit sie das Prädikat Core verdient. „Wir identifizieren gezielt nachhaltige Manage-to-Core-Investitionen für unsere Fonds, um regulatorische Anforderungen zu erfüllen und die Immobilien langfristig im Bestand halten zu können. Das gilt für den Ankauf genauso wie für den Bestand.“ 


Zudem mehren sich die Anzeichen, dass Covid-19 die Ansprüche der Nutzer an die Bürolandschaft verändert: Kommunika­tionsflächen werden wichtiger, Abstände in den Waschräumen größer, Lüftungs­sys­teme leistungsfähiger. „Im Rahmen von Neupositionierungen lassen sich Trends antizipieren und umsetzen“, sagt Gerdes. Wie das geht, zeigt Union Invest­ment­ beim Münchner Quartier MediaWorks München wie auch bei dem im Juni erworbenen Büroensemble Hamburg Süd: Wenn die gleichnamige Reederei Ende des Jahres auszieht, wird die markante Immobilie, die 1964 fertiggestellt und 2016 kernsaniert wurde, an die Wünsche kommender Mieter angepasst.


Modernisierte Büroobjekte treffen auf einen Verkäufermarkt

Die neuen Ansprüche von Nutzern und Investoren verschafften Aufwertungsstrategien einen „strategischen Vorteil“, glaubt Julian Schnurrer, Leiter Produktmanagement, Strukturierung und Strategie bei Wealthcap. Das Angebot an Objekten steige, weil insbesondere kleinen Bestandshaltern die Liquidität für aufwendige Repositionierungen fehle. Modernisiert treffe die Immobilie jedoch auf einen Verkäufermarkt – schließlich ist Core nach wie vor begehrt. „Die Asymmetrie des Marktes zieht private wie institutionelle Anleger an, die – etwa zur Erzielung einer Mindestrendite – ihr Portfolio ausbalancieren wollen.“ Allerdings setzen Aufwertungsstrategien spezielle Kompetenzen voraus. Schnurrer: „Investoren brauchen ein deutlich tieferes Verständnis der Wertschöpfungskette und sollten den Markt gut kennen, um keine Überraschungen zu erleben.“ Wer wenig eigenes Know-how besitze, sei gut beraten, sich zuverlässige Partner zu suchen, „mit regionaler Expertise, viel Erfahrung und guten Beschaffungswegen“, und gestreute Konzepte zu fokussieren. 


Dabei ist die Abwägung, ob sich eine Investition in die Aufwertung einer Immobilie auszahlt, komplex. Das Ergebnis hängt auch davon ab, wo die Hebel für den Mehrwert ansetzen. „Je besser Lage und Gebäude, desto weniger spielt die Mietvertragssituation eine Rolle“, verdeutlicht BNP-Paribas-Real-Estate-Experte Keller. Nuveen Real Estate beispielsweise erwarb für seinen Fonds Cityhold Office im Juni ein Bürohaus aus den 1930er-Jahren; erklärtes Ziel: Renovate to Core. Die Lage der Immobilie im 15. Arrondissement von Paris garantiert in den Augen des Fondsmanagements fast schon den Erfolg: „Sie sollte unseren Investoren über Jahre hinweg stabile Erträge sichern.“ Eine große Unbekannte freilich gibt es gerade jetzt: die Entwicklung der Baukosten.


Sanierung oder Exit? Das muss stets im Einzelfall entschieden werden

Auch im eigenen Bestand ist die Entscheidung über Renovieren oder Verkaufen für Investoren nicht einfach. Verträgt sich ein Exit mit den Wachstumszielen des Unternehmens? Soll Leerstand riskiert werden, wenn eine Immobilie zwar sanierungswürdig ist, der Mieter jedoch verlängern will? Schwierig wird es auch dann, wenn eine attraktive Immobilie Kosten verursacht, die beim Kauf nicht absehbar waren. „In Einzelfällen kann das zu Verkaufsüberlegungen führen“, weiß Barings-Europachef Deutsch. Und Chancen für andere Marktteilnehmer bieten.


Von Christine Mattauch


Titelbild: Union Investment / Gulliver Theis

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