
Im Zuge der Corona-Pandemie hat sich der Blickwinkel der Immobilieninvestoren verschoben. Heimatmärkte liegen nun stärker im Fokus. Der Grund: Sicherheit ist in der Krise Trumpf. Deutschland, Österreich und die Niederlande überzeugen bei der Risikobegrenzung. Von Christine Mattauch
Die Assetklasse stimmte, der Standort offenbar auch: Ende Juni kaufte Nuveen Real Estate für 65 Millionen Euro den CityPark, ein Logistikzentrum im Wiener Stadtteil Liesing. Es war der erste Kauf in Österreich der amerikanischen Investmentgesellschaft für ihre European-Cities-Strategie, die auf besonders resiliente Standorte zielt. Fondsmanagerin Liz Sworn lobte die „aufregenden Gelegenheiten“, die die österreichische Hauptstadt für Investitionen biete.
Aufregend? Wien? Das Beispiel zeigt, wie sich die Wahrnehmung im Zuge der Corona-Krise verschoben hat. Geschätzt werden solide, verlässliche Standorte – kurz: sichere Häfen. Covid-19 verändert den Blickwinkel von Anlegern und Projektentwicklern: Neben Wachstum, Liquidität und Mieternachfrage geht es jetzt auch um die Qualität des Gesundheitswesens und die nur vordergründig banale Frage, wie gut oder schlecht eine Regierung im Krisenmanagement ist. Wird schnell und ausreichend Kapital bereitgestellt, um die Folgen des Konjunktureinbruchs abzufedern? Wird weitsichtig agiert, um Infektionszahlen zu begrenzen und Krankenhauskapazitäten bereitzustellen? Gelingt es, Unternehmen und Verbrauchern genug Vertrauen einzuflößen, um die Nachfrage zu stabilisieren – auch die nach Büro- und Lagerflächen? Eine weitere Krisenfolge ist, dass Investoren stärker ihre Heimatmärkte bevorzugen, und das nicht nur, weil Reisebeschränkungen eine Due Diligence im Ausland erschweren. Sicherheit ist in der Krise Trumpf, und wer zu Hause investiert, kennt sich besser aus. Weshalb der sogenannte Home Bias sogar ein Vorteil sein kann: Wissenschaftler der University of Florida zeigten anhand von REIT-Stichproben zwischen 2004 und 2015, dass institutionelle Anleger Investitionen in lokale Märkte präferieren und dass diese Asset-Verteilung „mit einer ausgezeichneten Portfolio-Performance einhergeht“.
Neubewertung von Risiken und gesellschaftlichen Veränderungen
Dabei steht eines außer Frage: Am Anlagedruck der Branche wird sich so schnell nichts ändern, eher im Gegenteil. Über Hilfspakete, die auf nationaler und europäischer Ebene beschlossen worden sind, pumpen Regierungen massiv Geld in die Wirtschaft, und die Notenbanken sorgen dafür, dass die Zinsen auf absehbare Zeit historisch niedrig bleiben. Bei einer Trendstudie von Wealthcap in diesem Juli gingen 60 Prozent der Befragten davon aus, dass Investitionen in Immobilien unverändert hoch bleiben, ein Fünftel erwartete sogar eine Steigerung. Im Unterschied zur letzten Finanzkrise sei ein Crash schon deshalb nicht zu erwarten, weil die Finanzierungen in der vergangenen Dekade gesünder gewesen seien, schreibt die Berliner Ratingagentur Scope. „Die Neubewertung von Risiken und gesellschaftlichen Veränderungen wird vielmehr den Strukturwandel beschleunigen, und die Konsequenzen werden sich auf der Ebene von Assetklassen und Standorten zeigen.“ Die Krise als Trendverstärker.
Unter dem Aspekt der Risikobegrenzung lohnt sich der Blick auf drei Länder: Deutschland, Österreich und die Niederlande. Deutschland stand bereits vor Ausbruch der Pandemie bei Investoren hoch im Kurs. Im vergangenen Jahr belief sich das Transaktionsvolumen an den deutschen Immobilieninvestmentmärkten nach Angaben von CBRE auf 84,5 Milliarden Euro, ein neuer Rekord und europaweit Platz eins vor Großbritannien, das unter der Brexit-Unsicherheit leidet. Die Pandemie verstärkt die Tendenz offenbar: Während der deutsche Anteil an den europäischen Gewerbetransaktionen im vergangenen Jahr 26 Prozent betrug, stieg er laut Savills im ersten Halbjahr 2020 auf 32 Prozent.
Das Ericus-Contor ist ein Beleg dafür, dass auch in Zeiten von Corona Top-Objekte gehandelt werden können.
Deutschland steht bei Immobilieninvestoren besonders hoch im Kurs
Nicht nur ist Deutschland die stärkste europäische Volkswirtschaft mit erheblichen finanziellen Reserven zur Pandemiebekämpfung. Die Staatsverschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt steigt zwar nach einer IWF-Prognose in diesem Jahr auf 68,7 Prozent, aber das ist deutlich weniger als in Frankreich (115,4), Großbritannien (95,7) und den USA (131,1). Ähnlich die Wirtschaftsleistung. Sie brach im ersten Halbjahr kräftig ein; aufs Gesamtjahr gerechnet könnte das Minus 5 Prozent betragen, so das Münchner Ifo-Institut. In Frankreich und Großbritannien jedoch halten Ökonomen sogar zweistellige Einbrüche für möglich. Als Instrument zur Schadensbegrenzung hat die Kurzarbeit Deutschland bereits in der Finanzkrise vor hoher Arbeitslosigkeit bewahrt, ihre Regeln wurden jetzt weiter flexibilisiert. „Die deutsche Regierung macht genau das, was man in einer tiefen Rezession tun sollte“, lobt der IWF. Zudem fing das deutsche Gesundheitswesen zumindest die erste Welle von Covid-19 gut ab. Die Einschätzung der Anleger sei, „dass Deutschland sich im internationalen Vergleich, wie bereits nach der Finanzkrise, am schnellsten von den Folgen der Pandemie erholen wird“, sagt Marcus Zorn, Deputy CEO von BNP Paribas Real Estate Deutschland. Bei einem Resilient-City-Ranking von Savills kamen vier deutsche Städte unter die ersten zehn: Berlin, Frankfurt am Main, Hamburg und Düsseldorf.
Im Office-Segment profitiert das Land davon, dass die Leerstände in Topstädten wie Berlin, Frankfurt am Main und München auf extrem niedrigem Niveau liegen. Sollte die Flächennachfrage im Zuge der Krise zurückgehen, kann der Markt das besser verkraften als anderswo. „Rückläufige Mieten halte ich für unwahrscheinlich“, sagt etwa Alexander Kropf, Head of Capital Markets Germany bei Cushman & Wakefield. Zu erwarten sei eher eine Seitwärtsbewegung. Als Krisengewinner stuft er die Logistik ein: „Der deutsche Logistikmarkt war in der Vergangenheit relativ flach.“ Matthias Pink, Chefresearcher von Savills Deutschland, nennt außerdem Gesundheitsimmobilien, wie zum Beispiel Alten- und Pflegeheime oder ärztliche Versorgungszentren.

Zwar brachen, wie überall, auch in Deutschland die Transaktionen auf dem Markt für Gewerbeimmobilien ein. Zum Erliegen kam der Markt aber nicht. Swiss Life kaufte das Hochhaus The Cube, den Sitz der Deutschen Börse in Eschborn; Hamburg Trust erwarb im Großraum Köln einen Büroneubau und weitere Bestandsgebäude. Union Investment übernahm vom Augsburger Immobilienunternehmen Patrizia das Ericus-Contor, einen markanten Bürobau in der Hamburger Hafencity mit DGNB-Platin-Zertifikat. Der Deal sei „ein Beleg dafür, dass auch in Zeiten von Corona Top-Objekte gehandelt werden können“, befand Chief Investment Officer Martin J. Brühl von Union Investment.
Zu denen, die von den Stärken des Standorts überzeugt sind, zählt die La Française Group mit Hauptsitz in Paris. „Deutschland ist unser zweiter Heimatmarkt“, sagt Managing Director Jens Göttler, der von Frankfurt am Main aus die Auslands-investments von La Française betreut. Zwei Drittel des Auslandsportfolios sind hier investiert. In der Vergangenheit erwarben die Franzosen etwa das Bürohochhaus Two Towers in Berlin, einen Bürokomplex in Düsseldorf und, im Auftrag südkoreanischer Investoren, ein E-Commerce-Fulfillment-Center in Mönchengladbach. Göttler ist sicher: „Deutschland wird als Immobilienstandort gestärkt aus der Corona-Krise hervorgehen. Wir bauen unsere Präsenz weiter aus.“ Er hebt zum Beispiel die hohe Mieterbonität hervor: Im ersten Krisenhalbjahr lag die Mieteingangsquote im deutschen Portfolio von La Française zwischen 90 und 95 Prozent. „Das ist, auch im internationalen Vergleich, sehr gut.“ Aber auch die Niederlande stehen auf Göttlers Einkaufsliste: Im August finalisierte er den Kauf einer Büroimmobilie in Amsterdam. Der Office-Markt der Metropole, der lange unter einem Überangebot litt, hatte sich in den vergangenen Jahren positiv entwickelt: Der Leerstand lag Ende 2019 bei 6,2 Prozent, die Spitzenmiete bei 460 Euro pro Quadratmeter und damit fast so hoch wie in Berlin.
Durch den latenten Nachfrageüberhang bei Core-Investments lässt sich in Wien sogar in einer Krise ein Premium erzielen.
Trotz Corona wurden in den Niederlanden weiterhin Deals geschlossen
Die Gesamtwirtschaft ist in guter Verfassung. Die Staatsverschuldung – laut IWF-Prognose Ende 2020 bei 58,3 Prozent – liegt niedriger als die Deutschlands; der Konjunktureinbruch wird ähnlich moderat ausfallen. „Was die öffentlichen Finanzen und die Auswirkungen der Pandemie auf die Volkswirtschaft angeht, sehen wir in den Niederlanden geringere Risiken als in anderen Ländern“, urteilt der IWF. Und das, obwohl die Wirtschaft der ehemaligen Kolonialmacht überaus vernetzt ist und daher als anfällig gilt für globale Schocks. Doch ebendiese Offenheit und Internationalität ist auch eine Stärke, die nicht nur die Nachfrage nach Büroraum treibt, sondern auch die nach Logistikimmobilien. „Der Bedarf übersteigt die verfügbaren Flächen“, schreibt Cushman & Wakefield in seinem letzten Marktbericht. Vor allem Rotterdam als Drehscheibe für Waren aus und nach Kontinentaleuropa ist bei Investoren beliebt. Trotz Corona gingen die Deals weiter: Aviva, Union Investment und Nuveen – seit diesem Frühjahr mit eigenem Büro in Amsterdam vertreten – erwarben große Logistikzentren im Großraum Rotterdam, Union Investment ein weiteres Projekt in Almere.

460 €
beträgt die Bürospitzenmiete pro Quadratmeter und Jahr in Amsterdam.
Österreich ist bei Investoren aus dem deutschsprachigen Raum beliebt
Resilienz wird auch Österreich nachgesagt dank geringer Infektionszahlen, verhältnismäßig guten Konjunkturdaten und einer konservativen Finanzpolitik. Große internationale Fonds lassen die Alpenrepublik meist links liegen, doch bei Investoren aus dem deutschsprachigen Raum ist sie beliebt – auch in der Krise. Deka erwarb im Mai für den neuen Fonds „Fokus Büro Wien“ den 32.000 Quadratmeter umfassenden Austro Tower, der 2021 fertiggestellt werden soll und langfristig vorvermietet ist. Die Züricher Eastern Property Holdings sicherte sich im Juni ein fast 30.000 Quadratmeter großes Bürogebäude im 2. Bezirk, zu dessen Mietern nach Sanierung die Stadt und die Staatspolizei zählen werden. Was Investitionen attraktiv macht: Der Leerstand im Wiener CBD liegt bei 1,8, stadtweit bei 4,7 Prozent. Wie in vielen Metropolen mit viel alter Bausubstanz sind moderne Flächen besonders stark nachgefragt, Neubauten sind zu deutlich über 50 Prozent vorvermietet. Die Spitzenmiete ist mit rund 310 Euro pro Quadratmeter moderat, dank Tradition und Regulierung. „Wir mögen den Markt, weil er positiv langweilig ist“, sagt Matthias Brodeßer, Head of Transaction Management International bei Warburg-HIH. Der Hamburger Investmentmanager unterhält seit 2018 eine Niederlassung in Wien, ist mit 488 Millionen Euro investiert und will weiter akkumulieren. Kritik, der Markt sei wenig liquide, weist Brodeßer zurück: Grund sei nicht mangelndes Investoreninteresse, sondern der Mangel an Objekten. „Durch den latenten Nachfrageüberhang bei Core-Investments lässt sich in Wien sogar in einer Krise ein Premium erzielen.“
310 €
werden in der Spitze für Büros in Wien gezahlt.
Mehr Vorsicht, eine stärke Fokussierung auf vertraute Märkte, mehr Präferenz für Core – im Abschwung liegt diese Reaktion nahe. Auf eine Einschätzung, wie lange sie den Immobilienmarkt prägen wird, wollen sich nicht einmal Experten festlegen. „Die nie dagewesene Natur der Krise macht jede Prognose hochgradig ungewiss“, resümiert Scope. Jedoch, bei allem Bedürfnis nach Sicherheit: Abwarten ist nicht die einzige und womöglich nicht einmal die beste Strategie. Man kann eine Krise auch als Kaufgelegenheit sehen.

„Der Fokus auf Heimatmärkte nimmt zu“
Wenn die Zeiten schlechter werden, besinnen sich Investoren traditionell auf ihre Heimatmärkte. Auch jetzt?
Wir gehen davon aus, dass der Anteil grenzüberschreitender Transaktionen deutlich zurückgeht, wie in früheren Krisen. Im Jahr 2009, nach der Finanzkrise, sank er auf ein Fünftel im Vergleich zum Vorjahr. Deshalb: Ja, ich glaube, der Fokus auf Heimatmärkte nimmt zu.
Gibt es Unterschiede zwischen europäischen Investoren und Anlegern aus Übersee?
Grundsätzlich ist es in Krisenzeiten immer ein Reflex, um den eigenen Kirchturm herum zu investieren. Es sei denn, der Kirchturm brennt. Wir haben durch die Pandemie in einigen Regionen ein erhöhtes Risiko und – im Gegensatz zu 2009 – eine Kapitalflut, die nach Anlage sucht. Deshalb ist es durchaus möglich, dass globale Investoren Europa weiterhin als sicheren Hafen sehen, vor allem die von Corona weniger betroffenen und immobilienwirtschaftlich „langweiligeren“ Märkte wie Deutschland oder Österreich. Der deutsche Markt ist gekennzeichnet von einem sehr geringen Risiko, insbesondere wenn man ihn global vergleicht.
Im Englischen spricht man von Home Bias, also von Voreingenommenheit. Sind es gute Entscheidungen, die in diesem Kontext fallen?
Die Frage ist doch: Warum geht jemand ins Ausland? Wenn die Märkte boomen, haben Investoren typischerweise im eigenen Land alles abgegrast. Die Preise sind gestiegen, die Renditen gefallen. Mit Käufen im Ausland will man diversifizieren und sucht eine gute Performance – und neigt deshalb dazu, gewisse Downside-Risiken auszublenden. Im Abschwung steigt der Fokus aufs Risikomanagement, Diversifikation wird weniger wichtig. Zumal es auf dem Heimatmarkt mehr Möglichkeiten gibt, ein Schnäppchen zu machen, und das Angebot wieder größer wird. Binnenorientierung ist also durchaus rational.
Wo sehen Sie die Stärken sicherer Häfen wie Deutschland?
In einer reduzierten, aber funktionierenden Marktlage auch in Krisenzeiten. Es finden Transaktionen statt, Renditen und Mieten sind nicht so volatil wie in anderen Märkten. Auch auf der Occupier-Ebene bestehen weniger Risiken. Wenn man den Arbeitsmarkt in den USA mit dem in Deutschland vergleicht, gibt es bei uns sicher nicht diese Abwärtsspirale
Werden die Renditen weiter nach unten gehen, wenn Deutschland als Investitionsstandort noch beliebter wird?
Das sehe ich nicht. Es gibt allerdings Unterschiede in Bezug auf die Nutzungsarten. Beim Thema Shoppingcenter haben viele Marktteilnehmer große Fragezeichen, während sich Fachmärkte als Bestandteil der Nahversorgung positiv entwickeln. Logistik sehe ich als Anlageklasse grundsätzlich positiv, vor allem, wenn sie den Onlinehandel unterstützt. Bei Office muss man schauen, wie sich die Nachfrage strukturell entwickelt, aber eine weitere Renditekompression kann ich mir nicht vorstellen.
Von Christine Mattauch