
Immobilieninvestoren haben den europäischen Logistikgürtel ins Visier genommen. Das knappe Angebot und die starke Nachfrage versprechen weitere Mietpreissteigerungen.
Europäische Logistik- und Industrie-Immobilien haben sich in den letzten Jahren zu einem heißen Investmentsektor entwickelt, wobei die Preise steigen und Renditen sinken – angesichts der zunehmenden Flächennachfrage durch das Phänomen „elektronischer Handel“. Der Mietpreisanstieg bei Lagerflächen in Kontinentaleuropa hinkte bis vor Kurzem dem Großbritanniens/Nordirlands hinterher, allerdings gibt es deutliche Anzeichen, dass Märkte wie die Beneluxländer, Deutschland und Frankreich aufholen. Die Mietpreise zeigen einen steilen Aufwärtstrend. Und Investoren, die diesen Trend erwartet haben, sind nun gut aufgestellt, die Früchte zu ernten, so führende Marktanalysten.
Das Investment in Lagerflächen in Kontinentaleuropa ist seit 2013 um durchschnittlich 14 Prozent pro Jahr gestiegen und liegt damit vor den 9 Prozent des Gesamt-Immobilienmarkts, wie Zahlen von Real Capital Analytics (RCA) zeigen. 2018 erreichte das Volumen an Logistik-Deals einen Rekordwert von 28 Milliarden Euro. Die Niederlande, Spanien, Polen und Norwegen verzeichneten 2018 allesamt Rekordinvestments; für Deutschland war es beinahe ein Rekordjahr.
„Aufgrund der kurzen Entwicklungszeiten investieren immer mehr Anleger frühzeitig über Forward-Finanzierungen in Logistikimmobilienprojekte“, kommentiert Investment Manager Stephan Riechers, der bei der Union Investment Real Estate GmbH für Akquisitionen in Europa zuständig ist.
Mieter akzeptieren höhere Preise
Eine starke Kombination langfristiger struktureller Faktoren beflügelt bei Logistikflächen Kontinentaleuropas Mietpreise und Investorennachfrage. Der bereinigte effektive Mietpreisanstieg im Logistikmarkt erreichte im letzten Jahr 5,0 Prozent. Dies belegen Daten von Prologis, dem weltweit größten Anbieter von Logistikflächen.
Obwohl dieser Wert unter den 8,0 Prozent der USA und dem weltweiten Durchschnitt von 6,0 Prozent liegt, stellt er fast eine Verdoppelung des Wertes von 2017 dar. Prologis verweist auf zwei wichtige Punkte: erstens den robusten Mietpreisanstieg in reifen Märkten wie München, den südlichen Niederlanden, Göteborg und Prag, der von starken Marktfundamentaldaten und Flächenknappheit geprägt ist. Und zweitens, dass Märkte wie Paris, Warschau, Schlesien und Mailand sich in der Frühphase des Mietzyklus befinden. Die Bestandsausweitung durch neue Objekte fällt hier noch gedämpft aus und die Mieten liegen weiter nahe ihren historischen Tiefstständen, woraus ein Potenzial für sich rasch verbessernde Marktbedingungen entsteht.
Aufgrund der kurzen Entwicklungszeiten investieren immer mehr Investoren frühzeitig über Forward-Finanzierungen in Logistikimmobilienprojekte.
„Wir gehen davon aus, dass wir auch 2019 in allen wichtigen Märkten einen deutlichen Mietpreisanstieg sehen werden – getragen von historisch hoher Auslastung und einer begrenzten Zahl neuer verfügbarer Angebote“, sagt Ben Bannatyne, President von Prologis Europe. „Das zeigt sich sowohl im Rückgang gewährter Anreize als auch in der Erhöhung der Leitmieten.“
Strukturelle Triebkräfte
Die Grundlagen des Mietpreisanstiegs und zunehmenden Investoreninteresses sind die robuste Nutzernachfrage sowie ein begrenztes und diszipliniertes Angebot. „Es gibt eine Reihe struktureller Triebkräfte, die sich positiv auf die Nachfrage nach Lager- und Logistikflächen in Europa auswirken; und an erster Stelle steht hier das Aufkommen des elektronischen Handels“, so Bannatyne. „Wir erwarten, dass dies auf absehbare Zeit so bleiben wird, während Hersteller und Einzelhändler ihre Lieferketten anpassen, um auf die sich ändernden Konsumgewohnheiten ihrer Kunden einzugehen.“
„Amazon war die hervorstechende Kraft dieser Verschiebung – punktet mit viel kürzeren Lieferzeiten, mehr Auswahl und niedrigeren Kosten. Und so müssen alle Einzelhändler reagieren, um mitzuhalten“, sagt Nick Preston, Fund Manager beim Logistikinvestor Tritax Eurobox. Lieferzeiten hängen von der Nähe zum Kunden ab. Die derzeitigen Urbanisierungstrends bedeuten, dass Einzelhändler wie andere Unternehmen Fulfillment-Einrichtungen in der Nähe von Ballungszentren, vor allem Großstädten benötigen, um die Erwartungen der Kunden erfüllen zu können, am selben oder nächsten Tag ihre Lieferung zu erhalten.
In Europa entfallen auf jeden Haushalt 2,7 Quadratmeter Logistikfläche. In den USA ist diese Zahl dreimal größer. Wir sind in Europa also unterversorgt.
Leerstand sinkt auf Rekordtief
Es ist jedoch nicht einfach, verfügbaren Platz zu finden. „In Europa entfallen auf jeden Haushalt 2,7 Quadratmeter Logistikfläche“, sagt Dirk Sosef, Vice President des Bereichs Research & Strategy bei Prologis. „In den USA ist diese Zahl dreimal größer; wir sind in Europa also unterversorgt.“
Diese Nachfrage- und Angebotsdynamik habe zu einem Leerstands-Rekordtief von 3,2 Prozent der gesamten europäischen Lagerfläche verglichen mit 9,7 Prozent im Jahr 2007 geführt, so Sosef. Das Angebot ist auch disziplinierter. „Rund 75 Prozent aller Fertigstellungen im Jahr 2007 waren spekulativ. Heute, in den letzten vier Quartalen, wurden etwa 60 Prozent der Objekte maßgeschneidert erstellt.“ Und dort, wo spekulativ gebaut wird, geschieht dies zu rund 70 Prozent in Märkten mit Leerständen unter 4 Prozent. Stephan Riechers von Union Investment stimmt dem zu: „Trotz erhöhter Aktivität im Investmentmarkt finden spekulative Projektentwicklungen im Logistikbereich nur sporadisch und in wesentlich geringerem Umfang als im Bürosektor statt. Wir erwarten somit kein Überangebot an Logistikimmobilien.“

Big-Box- und Mid-Box-Formate
Der Mangel an verfügbaren Flächen in den meisten großen Märkten und die Zunahme der Baukosten bilden das perfekte Rezept, Angebot und Nachfrage im Zaum zu halten, und haben einen deutlichen Mietpreisanstieg zur Folge, fügt Ben Bannatyne hinzu. „Wir erwarten, dass Anlagen und Logistikparks, die näher an den großen Ballungszentren liegen, die beste Performance zeigen.“ Ebenso zu bedenken: Auch wenn „mit der Flut alle Boote steigen, werden die Punkte Standort und Qualität bei einer Aufweichung des Marktes eine wichtige Rolle spielen“. Während der Mix aus enormer und vielfältiger Nachfrage, begrenztem und diszipliniertem Angebot sowie steigenden Ersatzkosten in allen Logistikkategorien Mietpreissteigerungen hervorruft, zeigt sich dieser Trend in zwei Bereichen besonders stark: bei Big-Box-Einrichtungen und kleineren, Infill-artigen Lagern.
RCA zufolge sind durch die Zunahme des Online-Einzelhandels und die Anforderungen der Nutzer im Hinblick auf die Optimierung von Lieferketten besonders große, Big-Box-artige Lagerformate interessant geworden – typischerweise von mehr als 50.000 Quadratmetern Fläche. Diese großen Verteilzentren, die üblicherweise am Rande von Städten liegen, bieten die große Bandbreite an Produkten, die Kunden sich wünschen. Mid-Box-Einheiten – mit gewöhnlich weniger als 10.000 Quadratmetern Fläche und in Stadtgebieten in der Nähe des Endkunden gelegen – übernehmen dann den Last-Mile-Service am nächsten Tag.

Kostenfaktoren optimieren
„Es geht immer darum, am richtigen Ort zu sein“, so Nick Preston von Eurobox. Der Transport macht fast die Hälfte der gesamten Lieferkettenkosten aus. Das Minimieren der Transportwege kann so dazu beitragen, Kosteneinsparungen und Rentabilität zu optimieren und ein höheres Serviceniveau zu erreichen. Die Mieten machen dagegen nur etwa 5 Prozent der Gesamtkosten aus. „An zentralen, zugänglichen Orten in der Nähe der eigenen Endkunden kann es sehr wohl sein, dass man höhere Mieten zahlt. Den eigenen Abnehmern nahe zu sein, bedeutet aber auch enorme Ersparnisse“, meint Prologis-Mann Dirk Sosef. „Somit sind die Betreffenden bereit, diese deutlich höheren Mieten zu zahlen.“
Die zweitgrößte Kostenkomponente ist der Arbeitsaufwand, der 25 bis 30 Prozent der Ausgaben von Betreibern ausmacht. Die Akzeptanz von Automatisierung steigt, da die Nutzer nach Möglichkeiten suchen, ihre Effizienz zu erhöhen. Sie ist aber kein Allheilmittel. „Automatisierung könnte weniger qualifizierte Mitarbeiter entlasten, doch beobachten wir eine stärkere Nachfrage nach höher qualifiziertem Personal, das diese komplexen Anlagen warten muss, wie zum Beispiel Ingenieuren“, ergänzt Sosef.
Hohe Standortanforderungen
Der Zugang zu einem geeigneten Pool von Arbeitskräften, eine zuverlässige Stromversorgung für den Betrieb zunehmend automatisierter Logistikanlagen und die Nähe zu Verkehrsadern – Straßen, Häfen und Eisenbahn – werden bei Standortentscheidungen von Nutzern allesamt eine Rolle spielen. „Goldilocks“-Standorte mit dem richtigen Mix an Merkmalen sind zwangsläufig knapp – vor allem hier großformatige Logistikeinheiten. Das Angebot wird zudem durch lokale Regulierung eingeschränkt, vor allem in Großstädten. Große Fulfillment-Center mit Lkw-Bewegungen rund um die Uhr können störend sein, sodass Kommunen oft nicht bereit seien, große Grundstücke für Industrielogistik verfügbar zu machen, so Preston.
Logistikimmobilien-Investoren profitieren
Das Ergebnis ist klassische Immobilienökonomie: Eine knappes Angebot, kombiniert mit einer starken und einigermaßen preisunempfindlichen Nachfrage, bedeutet, dass die Mieter immer höhere Preise akzeptieren – sodass Mieten und Immobilienwerte steigen. „Was aus unserer Sicht als Investor das ist, was wir uns wünschen“, fügt Eurobox-Experte Nick Preston hinzu.
Um 14 %
stieg durchschnittlich pro Jahr in Kontinentaleuropa das Investment in Lagerflächen seit 2013
Er verweist auf den wichtigsten Logistikgürtel Europas, wozu er den Streifen der südlichen Niederlande und Belgiens hin nach Deutschland und dann den westlichen Korridor durch die Rhein-Ruhr-Region bis nach Frankfurt am Main, Karlsruhe und Stuttgart zählt. Das Unternehmen Amazon, das europaweit schnell wächst, soll eine erhebliche Zahl von Standorten in Deutschland suchen, so Preston. Greenoak Real Estate und Apeiron gaben kürzlich auch den Erwerb eines 340.000 Quadratmeter umfassenden deutschen Logistikportfolios um München, Karlsruhe und Dortmund bekannt. In Frankreich sind die Achse Paris-Lyon sowie auch Teile der Côte d’Azur wie Marseille wichtige Standorte an den bedeutendsten Logistikrouten Europas.
Bei 5 %
lag im kontinentaleuropäischen Logistikmarkt der bereinigte effektive Mietpreisanstieg im Jahr 2018
Alternativen in sekundären Lagen
Die zentralen Citylagen in den fünf führenden Metropolen Europas – London, Paris, Barcelona, Madrid und Mailand – bieten in puncto Vermietung die beste Performance, so Dirk Sosef von Prologis. Im Vergleich zu Stadtrandgebieten „ist der Markt bereit, für echte Infill-Lagen die doppelte oder dreifache Miete zu zahlen“. Die Knappheit an Logistikimmobilien mit den richtigen Merkmalen in den Prime-Zentren zwingt Nutzer jedoch, sich mit anderen, sekundären Standorten zu beschäftigen.
Barcelona, wo Tritax Eurobox eine großformatige Immobilie erworben hat, die vom Einzelhändler Mango genutzt wird, ist derzeit ein extrem starker Markt, so Nick Preston. Die Stadt hat einen großen Hafen, liegt im Herzen eines wohlhabenden und florierenden Wirtschaftsgebiets mit einer großen Bevölkerung und topografisch zwischen Meer und Bergen, was ihr Flächenangebot begrenzt. Durch den harten Wettbewerb um Flächen oder Gebäude rund um Barcelona, vor allem um Großgrundstücke, gehen Vakanzen mit einem Bieterwettstreit einher, der die Miete nach oben treibt. In Reaktion hierauf verlagert sich der Fokus nach Tarragona im Süden und Girona im Norden. „Beide dieser Standorte profitieren, da Nutzer im Umkreis von 20 Kilometern um Barcelona keine Objekte finden“, so Preston.
In Mittel- und Osteuropa (CEE) zeigen sich ähnliche Effekte. „CEE verzeichnet ein starkes Plus an Investments“, sagt Dirk Sosef von Prologis. „Das ist etwas, was man in dieser Phase des Zyklus erwarten würde – dass mehr Investoren sich auch außerhalb der Kernmärkte orientieren.“
Angesichts der geringeren Bevölkerungsdichte und des größeren Flächenangebots in diesen sekundären Lagen werden Preisdruck und Mietpreissteigerungen aber nicht das Niveau der großen Ballungsräume erreichen, wo sich die attraktivsten Chancen bieten, so Preston.
Von Paul Allen