Schwere Zeiten für Europas Projektentwickler

Europäische Projektentwickler haben es derzeit wahrlich nicht einfach. Die Inflation, steigende Zinsen, Rezession, Lieferengpässe und die zunehmende Regulierung machen ihnen zu schaffen. Von Paul Allen

Pepijn Morshuis fasst zusammen, was Marktteilnehmer derzeit sorgenvoll beschäftigt: „Für viele Projektentwickler war 2022 ein äußerst schwieriges Jahr, das von einem hohen Maß an Unsicherheit und Investoren-Zurückhaltung geprägt war. Leider sieht es 2023 nicht viel besser aus“, meint der CEO von Trei Real Estate, einem Unternehmen, das sich auf die Entwicklung von Wohn- und Gewerbe­immobilien spezialisiert hat.


Am Entwicklungsmarkt finde eine Zeitenwende statt, betonte Michael Bütter, CEO der Union Investment Real Estate GmbH, anlässlich der „Handelsblatt“-Jahrestagung 2022. Die ohnehin steigenden Baukosten werden durch anziehende Baustoff- und Energiepreise, Lieferengpässe und Fachkräftemangel weiter in die Höhe getrieben. Im Zuge der Inflationsbekämpfung steigen auch die Zinssätze. Gleichzeitig sorgen immer strengere Bau- und Umweltschutzvorschriften für mehr Druck auf die Immobilienbranche.


Wegen hoher Grundstückskosten und restriktiver Bauvorschriften sind Projektentwickler gezwungen, in die Vororte auszuweichen.
Andreas Schulten Generalbevollmächtigter bei bulwiengesa

Auch auf der Nachfrageseite bestehen Herausforderungen. So hat sich im britischen Bürosegment die Vermietungsquote gegenüber dem Vor-Pandemie-Niveau auf 30 Prozent halbiert. Der mit der Onlinekonkurrenz kämpfende Einzelhandel wird durch die Corona-Pandemie und hohe Lebenshaltungskosten zusätzlich gebeutelt. Da die gestiegenen Finanzierungs- und Lebenshaltungskosten das Wohneigentum für viele Haushalte unbezahlbar machen, sind außerdem am Wohnungsmarkt ganze Käuferschichten weggebrochen, wie BF Direct feststellte.


Das Rendite-Risiko-Verhältnis habe sich inzwischen grundlegend geändert, erklärt Bent Mühlena, Leiter Immobilienprojektmanagement bei Union Investment. Seiner Ansicht nach ist insbesondere bei spekulativen Projekten mit einem Rückgang zu rechnen. „Bei Forward Deals werden Entwickler wohl künftig ausreichende ­Finanzmittel oder Sicherheiten nachweisen müssen, wenn sie in diesen Krisenzeiten Projekte unabhängig umsetzen wollen“, so Mühlena.


Neubauvorhaben sind auf ganzer Linie rückläufig

In den deutschen A-Städten (Berlin, Hamburg, Köln, Düsseldorf, Stuttgart, Frankfurt am Main, München) ging das Projektentwicklungsvolumen 2022 gegenüber dem Vorjahr um 3,6 Prozent zurück. Der Wohnungsbau, der das größte Segment darstellt, brach sogar um 7,6 Prozent ein, wie die Beratungsgesellschaft bulwiengesa feststellte. „Hohe Grundstückspreise und Baukosten, Zinssätze, die seit Januar 2022 um das Vierfache gestiegen sind, die starke Regulierung und bürokratische Hürden belasten die Branche“, bestätigt Andreas Schulten, Generalbevollmächtigter bei bulwiengesa. Besonders deutlich werde dies bei Wohnimmobilien, wo Projektentwickler wegen hoher Grundstückskosten und restriktiver Bauvorschriften gezwungen seien, in die Vororte auszuweichen. 


„Auch bei Büroimmobilien steigen unter anderem aufgrund des Rezessionsdrucks die Leerstände, wobei die Mietpreise für Grade-A-Bürogebäude momentan noch einen positiven Trend zeigen“, ergänzt Schulten. 


Derzeit bestehen wenig Anreize für den Bau neuer Gebäude

Am britischen Wohnimmobilienmarkt ist die Lage ähnlich schwierig. „Immobilienprojekte profitabel umzusetzen, erweist sich derzeit vor allem an Märkten mit niedrigem Mietpreisniveau als sehr problematisch, da die Baukosten den erzielbaren Marktpreis übersteigen“, sagt Paddy Allen, Head of Operational Capital Markets bei Colliers. „Augenblicklich bestehen wenig Anreize für neue Projekte, es sei denn, die Entwickler haben eine längerfristige Perspektive, da es zum Beispiel um den Aufbau einer Plattform geht, verfügen über günstige Finanzierungsmöglichkeiten oder arbeiten mit Partnern der öffentlichen Hand zusammen.“ Das Unternehmen Trei nutzt seine internationale Reichweite, um die Risiken zu streuen: „Insbesondere der US-Markt stand in den letzten Monaten im Fokus, da die Mietpreise noch schneller als die Kosten und die Zinsen steigen“, erklärt CEO Morshuis. „Die westeuropäischen Märkte sind gesättigt, aber Polen bietet Investoren noch Expansionsmöglichkeiten.“


Für Union Investment sind Projektentwicklungen im Bestand und das damit verbundene Wertschöpfungspotenzial nach wie vor ein Schwerpunkt. „Wir haben kürzlich in die umfassende Sanierung des Intercontinental Hotels und des Hotels Luc in Berlin sowie des Steigenberger Hotels in Hamburg investiert, um ihre Marktfähigkeit zu verbessern“, nennt Projektmanager Mühlena einige Beispiele. „Den gleichen Ansatz verfolgen wir im Bereich Gewerbeimmobilien, wie etwa beim Projekt K7 in Wiesbaden, das für den Mieter Schufa um einen Neubau erweitert wurde.“


Bei Forward Deals werden Entwickler wohl künftig ausreichende Finanzmittel oder Sicherheiten nachweisen müssen.
Bent Mühlena Leiter Immobilienprojektmanagement bei Union Investment

Ein stets relevantes Thema ist dabei die Nachhaltigkeit. Nach Angaben des World Green Building Council entfallen annähernd 40 Prozent der energiebezogenen CO2-Emissionen auf den Bau und den Betrieb von Gebäuden. Für die angestrebte Dekarbonisierung des Gebäudebestands müssen bis 2050 Neubau- und Infrastrukturprojekte sowie Sanierungen vollständig klimaneutral umgesetzt und sämtliche Objekte, also auch im Bestand, klimaneu­tral betrieben werden.


Projektentwickler benötigen hohe Kompetenzen im nachhaltigen Bauen

„Für institutionelle Investoren und Mieter werden Nachhaltigkeitsaspekte immer wichtiger. Daher ist es für Projektentwickler zwingend erforderlich, dass sie über Kompetenzen im Bereich nachhaltiges Bauen verfügen“, sagt Pepijn Morshuis. „Wohnimmobilien, die nicht ESG-konform sind, werden schon bald von institutio­nellen Investoren nicht mehr gekauft werden, da diese strengen ESG-Vorschriften unterliegen.“ Trei beispielsweise setzt bei seinen neuen Wohnimmobilien in Deutschland auf CO2-freundliche Baustoffe wie Holz sowie auf modulares Bauen und erfüllt den höchstmöglichen Energieeffizienzstandard der KfW. 


Auch im Bürosegment sind hohe Nachhaltigkeitsstandards gefragt. Laut der Immobilienberatung CBRE lassen sich mit Bürogebäuden, die als nachhaltig zertifiziert sind, 6 Prozent höhere Mietpreise als mit nicht zertifizierten Gebäuden erzielen. Die Reduzierung der negativen Auswirkungen auf die Umwelt, geringere Betriebs- und Instandhaltungskosten, die größere Attraktivität für die Mieter und ein höheres Maß an Komfort, Wohlbefinden und Produktivität für die Nutzer sind alles Faktoren, die sich im Mietpreis niederschlagen.


Für Projektentwickler ist es zwingend erforderlich, dass sie über Kompetenzen im Bereich nachhaltiges Bauen verfügen.
Pepijn Morshuis CEO von Trei Real Estate

In Krisenzeiten rücken weitere Anforderungen an Projektentwickler ins Blickfeld. Angesichts der gestiegenen Risiken lege Union Investment bezüglich der Objekt- und Lagequalität höhere Maßstäbe an und lasse sich Sicherheiten für die zeit- und budgetgerechte Fertigstellung geben, wie Bütter betont. Die Bonität der Projektentwickler und damit der Schutz der Investoren vor finanziellen Risiken seien ebenfalls von wachsender Bedeutung. Pepijn Morshuis zieht ein vorläufiges Fazit für die Projektentwicklerbranche: „Mit einer Entspannung der Marktlage ist kurzfristig nicht zu rechnen. Daher sind Projektentwickler gefragt, die flexibel auf die neuen Rahmenbedingungen reagieren können und langfristig denken.“


Von Paul Allen


Titelbild: Trei Real Estate

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