
Modulares Bauen: ein Königsweg?
Die Bau- und Immobilienwirtschaft muss ihre CO2-Emissionen und ihren Ressourcenverbrauch drastisch reduzieren. Eine Lösung dafür bieten modulare Bauweisen, mit denen sich vielfältige Gebäudetypen und -nutzungen realisieren lassen und die Wiederverwendbarkeit ermöglichen. Das Potenzial ist riesig. Von Dagmar Hotze
Die Bau- und Immobilienwirtschaft steht vor enormen Herausforderungen: Sie muss ihre jährlich in die Luft geblasenen gut 115 Milliarden Tonnen CO2 und ihre rund 230 Millionen Tonnen Bauschutt und Abbruchabfälle rigoros mindern. Aktuell ist die Branche einer der größten Klimasünder und der Hauptmüllverursacher in Deutschland. Außerdem ist das Bauen infolge steigender Materialkosten, Energiepreise und Bauzinsen teuer und obendrein langwierig. Würde modulares Bauen genutzt, bei dem unter industriellen Bedingungen dreidimensionale Raummodule erstellt und anschließend als vorgefertigte Bauteile nach Art des Baukastenprinzips auf der Baustelle zusammengefügt werden, ließen sich Bauvorhaben schneller abwickeln, realisieren und fertigstellen. Die Fertighausindustrie wendet modulares Bauen seit Jahren erfolgreich an. Im Jahr 2021 erzielte die Branche hierzulande einen Rekorderlös von circa 3,5 Milliarden Euro. Jedes fünfte Eigenheim zwischen Flensburg und Oberammergau entsteht mittlerweile in Fertigbauweise. Auch mehrgeschossige Gebäudetypen und gewerbliche Nutzungen ließen sich nach dem Baukastenprinzip herstellen, würde etwa modularer Holzbau größer gedacht.
Modulbauweisen sind gleichermaßen für Wohnungen und Büros geeignet
Was dann möglich ist, zeigt das im Bau befindliche Stadtquartier Wood City in Helsinki. Hier entstehen auf 3,4 Hektar in modularer Holzbauweise zwei Wohngebäude mit bis zu sieben Etagen sowie zwei Bürokomplexe: die Headquarter der Spielefirma Supercell und des Unternehmens With Secure, das Cybersicherheitslösungen anbietet. Den Unterschied machen neue Vorschriften, die seit 2011 mehrstöckige Holzkonstruktionen mit bis zu acht Stockwerken in Finnland erlauben.
Das Gesetz ist wohlüberlegt. Zum einen hat Holzbau in Finnland eine lange Tradition, zum anderen bietet Holz zahlreiche Vorteile: Es ist leicht, einfach zu verarbeiten und hat einen geringen CO2-Fußabdruck. Sprinkleranlagen und Konstruktionslösungen sorgen für den nötigen Brandschutz.
Bis Mitte des Jahres 2024 wird das von Union Investment für den institutionellen Publikumsfonds UniInstitutional European Real Estate erworbene Büroprojekt auf dem Areal fertiggestellt. Der bereits vollständig vermietete Siebengeschosser erfüllt höchste Nachhaltigkeitskriterien und ist eines der ersten auf die EU-Taxonomie abgestimmten Projekte in Finnland.
Modulares Bauen lässt sich zudem nutzen, um den Wohnungsmarkt zu entspannen. Denn gegenüber konventionellen Bauweisen, die von der Planung über den Rohbau bis zur Ausführung viel Zeit, Ressourcen und Geld benötigen, ist modulares Bauen effizient und kostengünstig und somit ein Beitrag zur schnellen Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum und zur nachhaltigen Stadtentwicklung. In Deutschland will Daiwa House Modular Europe industriellen und nachhaltigen Gebäudelösungen zum Durchbruch verhelfen. Zu den ersten Projekten des Unternehmens gehört die zwölfstöckige Studentenwohnanlage Community Campus mit insgesamt 737 Apartments in Bochum, die nach Fertigstellung das höchste Modulbaugebäude in Europa sein wird.
Modulares Bauen könnte helfen, die Wohnungsnot zu bekämpfen
„Das Objekt ist nicht nur ein Leuchtturmprojekt für den Modulbau und eine Antwort auf den Wohnraummangel in Deutschland“, so Olaf Bade, Manager Deutschland bei Daiwa House Modular Europe, „sondern auch ein Beitrag zu nachhaltiger Stadtentwicklung.“ 95 Prozent der eingesetzten Stahlrahmen bestehen aus Recyclingstahl. Da Roh- und Modulbau gleichzeitig stattfinden, verkürzt sich die Bauzeit um bis zu 50 Prozent im Vergleich zum traditionellen Bau. Zudem demonstriere das Projekt, wie Kreislaufwirtschaft in der Baupraxis funktioniere. „Ist der Lebenszyklus eines Gebäudes beendet, kann es einfach zurückgebaut und umgenutzt werden.“ In Kooperation mit dem Fonds- und Assetmanager Capital Bay soll 2023 eine Gigafactory nahe Berlin für die Produktion von Gebäudemodulen und Mikro-Apartments in Betrieb gehen. Zunächst ist die Herstellung von 2.500 Modulen pro Jahr geplant, die Produktion soll bis auf 50.000 gesteigert werden.
Auch Siemens setzt beim Bau seines neuen Campus in Erlangen auf industrielle Vorfertigung. Auf dem rund 7,4 Hektar großen Gelände sind sowohl das zentrale Empfangsgebäude als auch die vier neuen Bürogebäude, die sich Union Investment im Rahmen eines Club Deals für institutionelle Großkunden sicherte, mit Building Information Modeling digital geplant und in Holzhybrid-Bauweise erstellt.
Gegenüber herkömmlicher Betonbauweise werden dadurch bereits beim Bau bis zu 65 Prozent CO2 vermieden. Überdies verkürzt sich die Rohbauzeit erheblich und es entstehen auf der Baustelle weniger Lärm, Staub und Abfälle. Einen Haken hat modulares Bauen allerdings: Die Lieferkette muss zeitlich so getaktet sein, dass jedes auf der Baustelle eintreffende Element sofort montiert wird. Ist dennoch eine (kurzzeitige) Lagerung erforderlich, sollte ein Konzept zur wettergeschützten Lagerung der teilweise sehr großen (Holz-)Bauteile nicht fehlen.

Forderung nach einem einheitlichen Bauordnungsrecht
Die Technologie für modulare Bauweisen ist also da. Das Interesse daran seitens der Investoren und Projektentwickler auch. Ebenso ist die positive Umweltwirkung belegt. Was fehlt, sind baurechtliche Anpassungen, um etwa das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr zu erreichen. Der Zentrale Immobilien Ausschuss fordert deshalb gemeinsam mit dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie und weiteren Immobilienverbänden, Baugenehmigungsverfahren grundsätzlich zu vereinheitlichen, damit Wohnungsbauvorhaben in serieller und modularer Bauweise nicht ausgebremst werden. Bleibt zu hoffen, dass die Hürden auf dem sonst geebneten Königsweg zur Nachhaltigkeit bald abgebaut sind.
Von Dagmar Hotze