
Assetmanager müssen sich wieder auf ihr traditionelles Handwerk besinnen, um mittelfristig Ertragssteigerungen zu erzielen. Von Isobel Lee
Auch wenn das neue Jahr für die Immobilienwirtschaft mannigfaltige Herausforderungen bereithält, dürfte es Assetmanagern mit dem richtigen Kompetenzprofil gelingen, den Wert ihrer Portfolios langfristig zu sichern. So die Einschätzung von Branchenexperten. Dabei wird sich der Markt in den kommenden Jahren wohl ganz anders als im zurückliegenden Jahrzehnt entwickeln, das aufgrund günstiger Finanzierungsmöglichkeiten und einer Renditekompression vielfältige Chancen bot.
Erträge mit neuen Strategien und alten Tugenden sichern und steigern
„Es wird immer schwieriger, allein mit finanzwirtschaftlichen Stellschrauben eine Rendite zu erzielen“, meint Charlie Wade, Managing Director EMEA beim PropTech VTS. „In den kommenden 12 bis 18 Monaten wird es darum gehen, in guter alter Manier für eine Stabilisierung und Steigerung der Mietpreise zu sorgen. Voraussetzungen dafür sind ein ausgezeichneter Kundenservice und eine enge Zusammenarbeit mit den Mietern.“ Die ursprünglichen Hoffnungen, dass nach drei Jahren Pandemie 2022 wieder eine Erholung einsetzen würde, zerschlugen sich aufgrund der geopolitischen Spannungen schnell wieder. Der seit Februar 2022 herrschende Krieg in der Ukraine hat zahlreiche pandemiebedingte Lieferkettenprobleme noch verstärkt und damit die Inflation angeheizt. Auch die Immobilienmärkte blieben nicht von der wachsenden Energiekrise verschont. Als die Zentralbanken dann die Leitzinsen anhoben, schnellten gleichsam die Kreditzinsen in die Höhe.
Die Immobilienpreise entwickeln sich bereits rückläufig, die Renditen dürften aber laut einer Studie von Fidelity wegen der angespannten Lage an den Finanzmärkten im Jahresverlauf 2023 steigen. Mit einer Rezession wie in den 1990er-Jahren oder mit einem Preisverfall wie in der Weltfinanzkrise sei jedoch nicht zu rechnen. Die Experten von Fidelity weisen darauf hin, dass es nach wie vor reichlich Immobilienkäufer gibt. Da zu einem breit aufgestellten Portfolio auch Privatmarktanlagen gehören, ist es unwahrscheinlich, dass es zu Kapitalabflüssen im großen Stil kommt.
Transparenz ist die Voraussetzung dafür, dass wir unsere Objekte unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit bewerten und optimieren können. Bereits seit 2018 setzen wir auf Energiemonitoringsysteme.
Mithilfe von innovativen digitalen Lösungen die Effizienz steigern
Ändern wird sich allerdings die Art und Weise, wie in der Branche in Anbetracht der höheren Risiken und des Konjunkturrückgangs Renditen generiert werden. Dazu Charlie Wade von VTS: „In dieser Situation sollte man insbesondere auf ein proaktives, umsichtiges Mietermanagement achten. Zufriedene Kunden bleiben einer Marke beziehungsweise einer Immobilie treu und sind eher bereit, Mietsteigerungen zu akzeptieren.“
„In dieser Hinsicht hat sich in den letzten zehn Jahren schon einiges getan. Aber jetzt kommt es wirklich darauf an. Digitale Lösungen sind hier zwar kein Patentrezept, aber sie können Assetmanagern die erforderlichen Informationen und Workflows an die Hand geben, damit sie dem Mieter einen besseren Service bieten können. Mit PropTech-Lösungen lassen sich Effizienzsteigerungen erzielen, wertvolle Daten generieren und Abläufe automatisieren. Sie helfen somit, den Service ohne höheren Kostenaufwand zu verbessern“, so Wade weiter.
In allen Assetklassen hat das Mietermanagement an Bedeutung gewonnen
Auch Laurent Lavergne, Global Head of Asset Management & Development bei Axa IM, sieht die Branche im Wandel: „Die Mieter stellen heute höhere Anforderungen an den Service und wollen mehr Flexibilität. Dieser Trend war bereits in der Vergangenheit bei Einzelhandelsimmobilien zu beobachten. Inzwischen betrifft er nahezu alle Assetklassen. Bei Hotelimmobilien rücken beispielsweise Managementverträge immer stärker in den Fokus. Diese setzen Branchenkenntnisse voraus: Man muss wissen, wie sich Umsätze generieren lassen und wie man die Betriebskosten in Grenzen hält. Bei Wohnimmobilien stellen wir fest, dass die Mieteransprüche an den Komfort steigen, was eine Differenzierung des eigenen Angebots ermöglicht. Dabei unterliegen Mieterhöhungen auf dem europäischen Kontinent jedoch häufig staatlichen Regelungen.“

Transparenz ist notwendig, um die Nachhaltigkeit optimieren zu können
Einzelhandel und Hotellerie sind zwei der anspruchsvollsten Assetklassen, wenn es um das Asset Management geht. Das kann Volker Noack, Mitglied der Geschäftsführung der Union Investment Real Estate GmbH und verantwortlich für das Asset Management, nur bestätigen. Im Kampf um die besten Ergebnisse werde das Management der Mietverhältnisse immer wichtiger, erklärt er. Und dafür brauche man ein erstklassiges Team.
Die Einbeziehung von Umweltfragen in das Risikomanagement trage zur Verbesserung der Transparenz und der Nachhaltigkeit des wirtschaftlichen Handelns bei. „Transparenz ist die Voraussetzung dafür, dass wir unsere Objekte unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit bewerten und optimieren können. Wir setzen seit 2018 auf Energiemonitoringsysteme, da wir als Eigentümer sonst keinen transparenten Einblick in den Energieverbrauch der Objekte haben“, sagt Noack.
Weiterhin erklärt er: „Wie geht man aber am besten mit den aktuellen Risiken um? Die Branche sieht sich mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert, unter anderem mit steigenden Energie- und Baukosten (relevant bei Sanierungs- und Umnutzungsprojekten wie auch bei Neubauten) sowie mit Flächenreduzierungen, der sinkenden Kaufkraft und dem Fachkräftemangel. Da die steigenden Energiekosten in erster Linie die Mieter betreffen, konzentrieren wir uns darauf, den Verbrauch zu optimieren und auf Einsparmöglichkeiten hinzuwirken. Mit diesen Themen haben wir uns ja auch bereits im Kontext der Dekarbonisierung beschäftigt. Jetzt besteht erstmals die Chance, dass auch die Mieter Handlungsdruck verspüren und mehr Transparenz bezüglich ihrer Verbrauchsdaten schaffen und wir hier unterstützen können.“
Wenn es neben dem Kapitalwert auch auf die Mieteinnahmen ankommt, ist die Mieterbindung umso wichtiger. Deshalb stellen wir uns auch 2023 der Aufgabe, weitere unserer Objekte ESG-konform umzugestalten.
Anne Böker erklärt: „Wenn es neben dem Kapitalwert auch auf die Mieteinnahmen ankommt, ist die Mieterbindung umso wichtiger. Deshalb stellen wir uns auch 2023 der Aufgabe, weitere unserer Objekte ESG-konform umzugestalten. Angesichts der Herausforderungen, denen wir seit letztem Jahr in Europa gegenüberstehen, sind wir vorrangig bestrebt, die Energiewende voranzutreiben.“
Während Assetmanager sich in diesen schwierigen Zeiten darauf konzentrieren, die Immobilien in ihrem Bestand für die Zukunft fit zu machen, ist für andere schon das Ende der Krise in Sicht: „Unserer Ansicht nach hat die Inflation ihren Höhepunkt erreicht, sodass der Zinsdruck bald nachlassen wird. Wir sehen zum Beispiel Chancen bei Büroimmobilien, die nicht mehr den aktuellen Standards entsprechen und zu Mehrfamilienhäusern oder Studentenwohnheimen umgenutzt werden können“, so Laurent Lavergne von Axa.
ESG-Herausforderungen werden zur treibenden Kraft im Asset Management
Für das deutsche Unternehmen HIH Real Estate sind Umweltthemen ebenfalls ein zentraler Aspekt der Asset-Management-Strategie. Die Flut von Anforderungen, die Energielabel beziehungsweise auch die EU-Offenlegungsverordnung mit sich bringen, bietet allen, die rechtzeitig handeln, in den nächsten Jahren besondere Chancen. „Wir bereiten uns schon frühzeitig auf absehbare Offenlegungspflichten vor“, erklärt Anne Böker, Sustainability Manager bei HIH Real Estate. „Dafür benötigen wir eine solide Datengrundlage. Denn zusätzlich zu den eigentlichen Aufgaben in den Bereichen Umweltschutz, Nachhaltigkeit und gute Unternehmensführung müssen wir zu vielen verschiedenen Themen ein sehr detailliertes Reporting erstellen. Beispielsweise ist es seit Neuestem vorgeschrieben, dass Parkhausneubauten mit Fotovoltaikanlagen und Ladestationen für E-Autos ausgestattet werden. Derartige Anforderungen erfordern clevere Lösungen.“
Für das eigene Portfolio setze HIH auf ein internes Bewertungsverfahren, das bei der Potenzialermittlung hilft, so Böker. Im Fokus stünden vor allem die Energieeffizienz und die CO2-Emissionen, wobei auf die Wünsche der Mieter eingegangen werde. Über regelmäßige Instandhaltungsmaßnahmen hinaus berücksichtige HIH im Businessplan jeder Immobilie auch ESG-Aspekte. Die Nachhaltigkeitsexpertin ist davon überzeugt, dass ESG-Maßnahmen in den Management-Budgets weiterhin Priorität haben, wenngleich die Branche in diesem Jahr den Gürtel wahrscheinlich enger schnallen muss.
Chancen bieten sich für langfristig orientierte Immobilieninvestoren
In den ersten sechs Monaten des Jahres wird es wohl nur vereinzelt Anzeichen für eine Erholung geben. Dennoch können Anleger davon ausgehen, dass sie im aktuellen Umfeld über die größte Verhandlungsmacht verfügen. Insofern dürften sich die Verkäufer im Jahr 2023 mit den neuen Bewertungen abfinden und die Märkte somit zu einem vernünftigen Preisniveau zurückfinden. So besteht Aussicht auf differenziertere Renditen je nach Sektor, Nutzungsart und Lage, was aktiven Immobilieninvestoren zugutekommt. Dieses Fazit zieht Fidelity: „Der aktuelle Zyklus dürfte von relativ kurzer Dauer sein. Sollte sich das Zinsniveau stabilisieren, werden sich die meisten Bewertungen wohl bis Mitte nächsten Jahres eingependelt haben. Wenn sich der Markt der Talsohle nähert, ergeben sich interessante Chancen für langfristig orientierte Anleger.“
Von Isobel Lee