
Transformationsimmobilien gewinnen an Bedeutung. Neue Nutzungen sorgen für ein modernes Profil und heben den Wert der Objekte. Das lohnt sich wirtschaftlich und reduziert den Ressourcenverbrauch. Von Christine Mattauch
Es geht um nichts weniger als eine neue Richtung. Sebastian Wasser formuliert es so: „Wir suchen nach Assets in guten Lagen und mit solider Gebäudesubstanz, bei denen wir ein klares Wertsteigerungspotenzial sehen.“
Bei dem früheren Hotelgebäude in Berlin, für das sich der Geschäftsführer von Ehret + Klein Capital Markets interessierte, war die Sache schnell klar. Die 18.000 Quadratmeter große Immobilie, Baujahr 1914, liegt im angesagten Kreativquartier Mediaspree und besticht durch Backsteinarchitektur und hohe Räume. Nach dem Kauf im Oktober 2022 baut die Starnberger Investmentgesellschaft sie unter der Marke The Loom (Der Webstuhl) zum MultiTenant-Bürogebäude um, mit schicken Lofts und moderner Technik. Standort, zukunftsfähiges Nutzungskonzept und ESG-Konformität machten das Objekt krisenfest, glaubt Wasser: „Die Kombination wird immer zu einer Nachfrage führen.“
Transformation lohnt sich – wirtschaftlich, ökologisch und städtebaulich.
Erforderlich sind neue, überzeugende Nutzungskonzepte
Umwandlungen großen Stils, ein vergleichsweise neues Aktionsfeld für Investoren, gewinnen an Attraktivität und Akzeptanz. Gerade auf einem schwierigen, von Inflation und Unsicherheit geprägten Markt könnte die Umwandlung von Gebäuden „Chancen eröffnen“, heißt es in der Studie „Transformationsimmobilien 2022“ von Union Investment und bulwiengesa. Voraussetzung dafür ist ein überzeugendes Nutzungskonzept. „Transformation lohnt sich – wirtschaftlich, ökologisch und städtebaulich“, bekräftigt Henrike Waldburg, Head of Investment Management Global bei Union Investment.
Nicht nur um eine energetische Verbesserung von Gebäudesubstanz gehe es, sondern um ein umfassenderes Verständnis von Nachhaltigkeit. Henrike Waldburg: „Im Bestand ist bereits ein enormes Potenzial an Primärenergie gebunden, das wir nutzbar machen sollten.“ Zumal Ressourcenverbrauch mehr und mehr zum Maßstab auch in der Due Diligence wird – gerade hat die Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung den ersten CO2-Ausweis für die Lebenszyklusbewertung von Gebäuden veröffentlicht.
„Auch bei Büroimmobilien steigen unter anderem aufgrund des Rezessionsdrucks die Leerstände, wobei die Mietpreise für Grade-A-Bürogebäude momentan noch einen positiven Trend zeigen“, ergänzt Schulten.
Transformieren umfasst deutlich mehr, als im kleinen Stil zu modernisieren
Nicht nur höhere Anforderungen an Nachhaltigkeit, auch knappe Rohstoffe und steigende Baukosten begünstigen nach Einschätzung der rund 200 für die Studie befragten Branchenkenner Transformation gegenüber Abriss und Neubau. Dabei ist nicht jede Modernisierung eine Transformation: Definiert wird sie als „wesentliche Veränderung“ von Gebäude- oder Nutzungsstruktur auf mindestens 30 Prozent der Bruttogrundfläche. Die Spannbreite der Projekte reicht von Einzelobjekten bis zu Quartieren. Gemischte Nutzungen lösen häufig überkommene Monostrukturen ab.
Gerade an historischen Standorten bietet sich zudem die Chance, Mehrwert durch zusätzlichen Raum zu schaffen, wie in der einstigen AEG-Transformatorenfabrik in Berlin: Freitragende Stahlkonstruktionen werden das Flächenangebot für Büros, Ateliers, Coworking und Gastro in den denkmalgeschützten Hallen deutlich erweitern. Ein Beispiel für eine Transformation „light“ ist das Münchner Industrieensemble LOVT (ehemals MediaWorks), ein Joint Venture von Union Investment und Hines. Hier heben Umbauten und Aufstockungen Flächenreserven von mehr als 15.000 Quadratmetern.
Beliebte Transformationsobjekte sind derzeit Hotelimmobilien, deren Betrieb in der Pandemie gelitten hatte. Das Sheraton Berlin Grand Hotel Esplanade etwa wollen die neuen Besitzer Deutsche Finance International und Cells Group teilweise in Büroflächen umwandeln. Umgekehrt geht es aber auch: Die Düsseldorfer Luxusherberge Ruby Luna, im Mai 2021 eröffnet, befindet sich in einem ehemaligen Bürohochhaus der Commerzbank.

Immobilieninvestoren wünschen sich mehr Flexibilität von der Politik
In vielen Innenstädten augenfällig ist der Transformationsbedarf von Kaufhäusern und Einkaufszentren, deren ursprüngliche Konzepte nicht mehr funktionieren. Beispiel Nürtingen: 2018 schloss das traditionsreiche Kaufhaus Hauber im sogenannten NC-Gebäude, dem Nanz Center. Dieses wird nun als Nahversorgungszentrum umgestaltet, mit Lebensmittelhändlern und modernen Gesundheitsangeboten; Union Investment kaufte die Immobilie im Dezember. In München will Ehret + Klein Capital Markets das kürzlich erworbene Einkaufszentrum Daseinstein in Richtung Nahversorgung und Lifestyle repositionieren. „Wir versuchen, die Immobilie auf einen komplett neuen Pfad zu setzen“, sagt Geschäftsführer Wasser.
Um Umwandlung zu erleichtern, müsse die Politik flexibler werden, heißt es im Frühjahrsgutachten 2022 des Zentralen Immobilien Ausschusses: „Neue Konzepte und Ideen dürfen nicht an bestehenden Gesetzen und Verordnungen scheitern.“ Die Teilnehmer der Transformationsstudie von Union Investment und bulwiengesa wünschen sich eine Befreiung von Auflagen, die Zulassung einer höheren Flächenausnutzung und ämterübergreifende Unterstützung von den Kommunen. Dafür sind sie bereit, bei Investitionen über das notwendige Investment hinauszugehen, etwa durch Dachbegrünungen, hochwertige Außenanlagen oder recycelte Baustoffe. 60 Prozent können sich auch eine reduzierte Miete für karitative und kulturelle Einrichtungen vorstellen: Nachhaltigkeit hat schließlich auch eine soziale Dimension.
Von Christine Mattauch