Big in America

Angesichts der schlechten gesamtwirtschaftlichen Aussichten in Europa und des anhaltenden Kriegs in der Ukraine richten Investoren verstärkt den Blick auf die USA. Aber kann jeder im US-Immobiliengeschäft Erfolg haben? Von Isobel Lee

Es ist der klassische Traum eines jeden Auswanderers: auf der Suche nach einem besseren Leben in die Vereinigten Staaten gehen und es dort zu Wohlstand bringen. Jetzt, da in Europa der Krieg tobt und die Europäische Zentralbank zur Bekämpfung der Inflation wohl auf absehbare Zeit die Leitzinsen weiter anhebt, haben auch immer mehr europäische Immobilieninvestoren diesen Traum. 


„Der US-Immobilienmarkt ist nicht nur der größte, liquideste und einer der transparentesten der Welt, er bietet europäischen Investoren wie Union Investment auch attraktive Diversifizierungsmöglichkeiten“, erklärt Henrike Waldburg, Leiterin Investment Management Global bei Union Investment. „Wir bei Union Investment erleben aus erster Hand, wie wertvoll ein weltweit diversifiziertes Portfolio ist, gerade vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse in Europa.“ Union Investment engagiert sich schon seit mehr als 30 Jahren in den USA und hat mit dem Erwerb von Immobilien im Wert von rund einer halben Milliarde US-Dollar in den Bundesstaaten Illinois und Florida seinen amerikanischen Traum Ende 2021 neu aufleben lassen. Gleichzeitig stieg Union Investment in den USA auch in neue Assetklassen ein, nämlich in lebensmittelgeankerten Einzelhandel und Multifamily. 


In Matthews, einem Vorort der Großstadt Charlotte, hat Trei sein erstes Multi-Family-House Briley in den USA entwickelt. Briley umfasst insgesamt 359 Mietwohnungen, aufgeteilt auf sechs einzelne Wohnhäuser mit jeweils vier Etagen. Den Bewohnern steht neben anderen Annehmlichkeiten auch ein hauseigener Pool zur Verfügung.
Trei Real Estate

Europäische Immobilieninvestoren sehen profitable Anlagechancen

Dazu Matthew Scholl, Leiter Investment Management Americas bei Union Investment: „Diese ‚neuen‘ Segmente sind für uns von besonderem Interesse, aber auch die Diversifizierung ist uns nach wie vor wichtig. Wir richten den Fokus insbesondere auf Mehrfamilienhäuser und Einzelhandelsimmobilien im Bereich Grundversorgung, suchen aber zur Diversifizierung unseres wachsenden US-Portfolios grundsätzlich in allen wichtigen Assetklassen nach profitablen Anlagechancen.“


Weiter erklärt er: „Wir glauben fest an die Zukunft der Büroimmobilie und werden auch weiterhin selektiv Objekte ins Portfolio aufnehmen, wenn diese unsere Anforderungen in Bezug auf Nachhaltigkeit, Qualität, Lage, Kreditschwellen und Erträge erfüllen.“ Auch andere deutsche Investoren sind vom Potenzial des US-Markts angetan: Commerz Real, ein Unternehmen der Commerzbank-Gruppe, eröffnete im Sommer 2022 in New York sein erstes US-Büro, obwohl es sich schon seit 2004 im Land engagiert. 


Verschiedene Investmentstrategien unterstreichen den Trend

In den vergangenen 20 Jahren hat Commerz Real über den Offenen Immobilienfonds Hausinvest insgesamt 3,2 Milliarden US-Dollar in zwölf Objekte investiert. „Die Vereinigten Staaten sind ein extrem spannender Markt, der vor allem in den Gateway Cities attraktive Chancen bietet“, meint CEO Henning Koch. Büroimmobilien haben mit rund 2,1 Milliarden US-­Dollar den größten Anteil am Portfolio. Hotels sind mit etwa 914 Millionen und Einzelhandelsobjekte mit 158 Millionen US-Dollar vertreten. 


Der deutsche Projektentwickler Trei Real Estate macht wiederum mit einer eindrucksvollen Strategie für die Entwicklung von Wohnimmobilien auf sich aufmerksam. 2017 gründete das Unternehmen eine Niederlassung in Charlotte und wollte sich zunächst voll auf den Bundesstaat North Carolina konzentrieren. 


Wir suchen zur Diversifizierung unseres wachsenden US-Portfolios grundsätzlich in allen wichtigen Assetklassen nach profitablen Anlagechancen.
Matthew Scholl Leiter Investment Management Americas bei Union Investment

Trei-Geschäftsführer Pepijn Morshuis erläutert die Entwicklung der Strategie: „Anfangs hatten wir geplant, dort hochwertige Mietwohnungsimmobilien zu entwickeln und zu einem späteren Zeitpunkt auch die Möglichkeiten bei weiteren Assetklassen zu erkunden. Unser Build-to-Rent-Konzept hat sich aber als so erfolgreich gezeigt, dass wir damit auch in andere Bundesstaaten vorstießen.“ 


So investierte Trei in Georgia, Tennessee und Florida und lotet aktuell die Chancen auch in Virginia, Washington D. C. und Maryland aus. „Unser Interesse gilt Städten, in denen sich verstärkt Arbeitgeber ansiedeln und die zuziehenden Arbeitnehmer auf den Mietwohnungsmarkt drängen. Dabei haben wir immer wieder die Nachfrage nach Mietwohnungen unterschätzt und erzielen durchweg Mietpreise, die über unseren Erwartungen liegen.“ 


Diese diversen Investitionsstrategien unterstreichen den grundlegenden Trend, dass die besten Investitionschancen in den USA nicht mehr auf die Küstenstädte und die einstmals dominierenden Assetklassen Büro und Shoppingcenter begrenzt sind. 


Das Best-in-Class-Bürogebäude Catalyst in Sunnyvale liegt im Santa Clara County, Kalifornien. Union Investment erwarb die auf Nachhaltigkeit und Wellness ausgerichtete Immobilie im Jahr 2022 für den UniImmo: Europa. Das Gebäude verfügt über eine Mietfläche von rund 18.100 Quadratmetern und ist langfristig voll vermietet.
Jeff Peters – Vantage Point Photography Inc

Stark steigende Einwohnerzahlen außerhalb der US-Metropolen

Das bestätigt auch Riaz Cassum, Global Head International Capital Coverage bei JLL: „Viele europäische Investoren haben sich traditionell auf Gateway-Märkte wie New York, Boston, San Francisco und L. A. konzentriert und expandieren dann vielleicht nach Seattle. In den letzten Jahren fand das Wachstum aber überwiegend außerhalb dieser Metropolen statt. Die einstigen Sekundärmärkte sind längst keine mehr.“ Städte wie Nashville im Bundesstaat Tennessee, Austin in Texas, Denver in Colorado und Miami in Florida melden stark steigende Einwohnerzahlen. „Der Sunbelt des Landes zieht wegen Steuervorteilen und geringeren Lebenshaltungskosten immer mehr Arbeitgeber und Arbeitnehmer an. Die dortigen Städte sind anders als New York und ähnliche Metropolen nicht durch kostspielige Massenverkehrssysteme und den sozialen Wohnungsbau belastet“, so der Experte von JLL. Er ergänzt: „Jeder europäische Investor, der in Richtung USA schaut, sollte aufgeschlossen sein und zweigleisig fahren, das heißt neben den Gateway Cities auch andere Märkte in Betracht ziehen.“


Jeder europäische Investor, der in Richtung USA schaut, sollte aufgeschlossen sein und zweigleisig fahren, das heißt neben den Gateway Cities auch andere Märkte in Betracht ziehen.
Riaz Cassum Global Head International Capital Coverage bei JLL

Riaz Cassum erwartet für die nächsten Monate ein steigendes Interesse: „Wir rechnen damit, dass mehr europäisches Kapital in die USA fließen wird, da die Wirtschaft sich hier sehr stark, eigentlich fast schon zu stark entwickelt. Die Notenbank will das Wirtschaftswachstum bremsen und gleichzeitig den Arbeitsmarkt in Schwung bringen beziehungsweise halten. Im Vergleich dazu hat Europa mit ganz anderen Herausforderungen zu kämpfen: mit seiner Abhängigkeit von Energielieferungen, dem Krieg in der Ukraine und dem allgemeinen Konjunkturrückgang.“


Von Isobel Lee


Titelbild: Getty Images

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