Globale Investitionen auf Erholungskurs

Nach der pandemiebedingten Auszeit haben große europäische Immobilieninvestoren die USA und den asiatisch-pazifischen Raum wieder fest im Blick. Mit dem neuen Bereich Investment Management Global richtet auch Union Investment ihre internationalen Aktivitäten neu aus. Von Judi Seebus

Das Volumen der grenzüberschreitenden Immobilieninvestitionen hat sich seit Ausbruch der Pandemie Anfang 2020 weltweit halbiert. Für das laufende Jahr erwarten führende Beratungsfirmen jedoch eine Erholung. Sie gehen davon aus, dass europäische Anleger hierbei zu den Vorreitern gehören werden. Weltweit fließt mehr Kapital als je zuvor in Immobilien, da die Anleger sich gegen steigende Inflation absichern wollen und angesichts als teuer empfundener Anleihe- und Aktienmärkte nach Diversifizierung suchen. Der Immobilienmarkt gehört zu den großen Gewinnern der Pandemie, denn in diesen turbulenten Zeiten hat sich das Anlegerinteresse zunehmend auf diese stabile Assetklasse konzentriert. „Die vergleichsweise schwierige Liquidierbarkeit von Immobilien, die sonst als Nachteil gesehen wurde, gilt inzwischen als Vorteil“, meint Chris Brett, Leiter EMEA Capital Markets bei CBRE. „Immobilien unterliegen keinen kurzfristigen Preisschwankungen, Investitionen sind an jedem beliebigen Ort möglich.“


Das weltweite Investitionsvolumen liegt rund 40 Prozent unter dem bisherigen Höchstwert aus Mitte 2019. Am größten Markt der Welt – den USA – brach es laut Real Capital Analytics (RCA) sogar um 50 Prozent ein. In Australien verlief die Entwicklung gegenläufig, was in Anbetracht der strengen Lockdown-Politik des Landes etwas überrascht. Dort nahmen die Transaktionen in den letzten zwei Jahren vor allem aufgrund der Aktivitäten europäischer Investoren wie zum Beispiel Axa, Allianz und APG zu. Die größten europäischen Investoren in den USA waren 2021 die Deutschen mit 2,2 Milliarden US-Dollar, gefolgt von den Schweizern mit 1,5 Milliarden US-Dollar. Diese Anlegergruppen machten zusammen mehr als die Hälfte des US-Gesamtvolumens von 6,2 Milliarden US-Dollar aus. Im asiatisch-pazifischen Raum führten französische Investoren mit Transaktionen im Wert von insgesamt 2,2 Milliarden US-Dollar die europäische Rangliste an. An zweiter Stelle standen deutsche Investoren mit einem Volumen von 1,8 Milliarden US-Dollar.


Neuausrichtung der Investmentstrategien und Managementeinheiten

Mit zunehmender Lockerung der Reisebeschränkungen will auch Union Investment ihre globale Präsenz weiter ausbauen. Das Unternehmen stellte die Weichen dafür im vergangenen Jahr durch die Zusammenführung der drei international operierenden Investmenteinheiten Americas, Asia-Pacific und Retail zur neuen Abteilung Investment Management Global unter der Leitung von Henrike Waldburg. Dabei richtet der Immobilienmanager den Fokus auf Assetklassen, die sich während der Pandemie als eher resilient erwiesen haben, wie etwa das Multifamily-Segment, Light Industrial sowie der Einzelhandel im Bereich Grundversorgung. „In den USA konnte das Team 2021 in einigen dieser dynamischen Assetklassen Immobilien im Wert von mehr als 425 Millionen US-Dollar ankaufen und hat unser bereits robustes Portfolio damit weiter diversifiziert“, erläutert Matthew Scholl, Executive Director und Leiter Investment Management Americas bei Union Investment.


Die Logistikbranche zieht weltweit die Aufmerksamkeit der großen Investoren auf sich. Logistik gilt als Must-have.
Chris Brett, Leiter EMEA Capital Markets, CBRE

Während Einzelhandelsimmobilien und insbesondere Einkaufszentren von der Pandemie stark in Mitleidenschaft gezogen wurden, war im Bereich Logistikimmobilien in den vergangenen 18 Monaten ein „unglaubliches“ Wachstum zu verzeichnen, wie CBRE-Experte Brett formuliert. Das Segment wird auch weiterhin florieren, da jeder von der Entwicklung profitieren möchte. Grundstücke sind fast überall Mangelware und die Nachfrage aufseiten der Mieter und Projektentwickler ist größer denn je. „Die Logistikbranche zieht weltweit die Aufmerksamkeit der großen Investoren auf sich. Logistik gilt als Must-have“, so Chris Brett.


Schon vor der Pandemie hat die in Amsterdam ansässige Gesellschaft Bouwinvest Real Estate Investors die Segmente Logistik- und Wohnimmobilien als besonders krisenfest eingestuft. Heute machen die beiden Assetklassen mehr als 50 Prozent ihres internationalen Portfolios aus. In den USA, wo Multifamily bei institutionellen Anlegern seit Jahrzehnten als etablierte Assetklasse gilt, will Bouwinvest in Zusammenarbeit mit dem Projektentwickler MacFarlane Partners 750 Millionen US-Dollar in Wohntürme investieren. Zwei Transaktionen wurden bereits getätigt: eine Beteiligung an dem 40-geschossigen Apartmenthaus Level BK im Brooklyner Stadtteil Williamsburg sowie der Erwerb des 24-geschossigen Apartmenthauses Park Fifth in Los Angeles. Auch Asien ist für Bouwinvest interessant. So entwickelt der Investor in China und Japan zusammen mit dem US-amerikanischen Multifamily-Spezialisten Greystar privatwirtschaftliche Mietwohnungsanlagen.


Gefragt sind vor allem lokale Expertise und Joint-Venture-Partnerschaften

Die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern in Form von Joint Ventures oder Fondsbeteiligungen ist auf internationaler Ebene bei institutionellen Anlegern wie APG und Axa sowie auch bei Staatsfonds wie ADIA und GIC gängige Praxis. Laut Real Capital Analytics werden in Asien rund 50 Prozent und in Nordamerika rund 40 Prozent der Deals nach Volumen mit einem Joint-Venture- Partner umgesetzt. Nach Ansicht von Chris Brett von CBRE wird die Suche nach passenden operativen Partnern 2022 ein wichtiges Thema werden: „Bei den großen Staatsfonds stehen immer mehr Mittel für die Anlage in Immobilien zur Verfügung. Hierfür müssen geeignete Partner gefunden werden.“


„Asiatische und US-amerikanische Investoren haben als Erste auf Lifescience-Immobilien gesetzt. Inzwischen fließt aber auch europäisches Kapital in dieses Segment“, so CBRE-Experte Brett. „Aufseiten europäischer Investoren besteht eine enorme Nachfrage nach Nischensegmenten wie Lifesciences und Datenzentren. Diese Entwicklung war schon 2021 deutlich spürbar und wird sich 2022 weiter verstärken. Beide Assetklassen bieten langfristige Ertragsströme. Bei steigenden Bevölkerungszahlen wird auch der Datenhunger immer weiter zunehmen.“


Mit der Übernahme von Kadans Science Partner als Grundstein für einen neuen 1,9 Milliarden Euro schweren Fonds stieg Axa Real Estate als erster europäischer Investor in den Bereich Lifescience-Immobilien ein. Inzwischen hat sich auch Bouwinvest mit 60 Millionen US-Dollar an der Rekapitalisierung der Blackstone-Beteiligungsgesellschaft Biomed Realty beteiligt, eines US-amerikanischen Betreibers von Lifescience-Immobilien. „Die Lifesciences-Branche ist im Zeitalter von Corona stark gefragt, und das Interesse an biomedizinischen Forschungseinrichtungen ist enorm. Wir werden voraussichtlich stärker in diesen Bereich investieren, in dem es unter anderem um die Entwicklung innovativer und kreativer Lösungen für Covid-19-Impfstoffe, Behandlungsmethoden und Medikamente geht. Dafür werden auch entsprechende Immobilien benötigt, Tendenz steigend“, so Stephen Tross, CIO International Investments Bouwinvest. Auch Union Investment prüft die Anlage in Immobilien für Lifescience-Unternehmen sowie in Datenzentren.


In den USA konnten wir 2021 Immobilien im Wert von 425 Millionen US-Dollar ankaufen und haben unser Portfolio weiter diversifiziert.
Matthew Scholl, Leiter Investment Management Americas, Union Investment

Selektiver Investmentfokus auf Ländermärkte und Nutzungsarten

In Amerika konzentriert sich Union Investment weiterhin auf die klassischen Assetklassen Büro, Multifamily, Hotel, urbaner Einzelhandel/Grundversorgung und Logistik. Besonders in den USA sind Büroimmobilien seit Ausbruch der Pandemie zwar bei den einheimischen Anlegern weniger beliebt, aber Daten von RCA zufolge bleiben sie bei den meisten in Amerika und Asien investierenden europäischen Unternehmen die bevorzugte Assetklasse. Das Hauptinteresse der Investoren gilt hierbei den USA, gefolgt von Singapur und China. Deshalb ist der nordamerikanische Büroimmobilienmarkt besonders stark von der Pandemie getroffen worden. Die Investitionen in Asien sind breiter gestreut, sodass der Abschwung besser abgefedert werden konnte. Büroimmobilien standen wegen der Pandemie extrem unter Druck. Das Arbeiten im Homeoffice liegt stark im Trend: Je länger die Pandemie andauert, desto unsicherer wird damit die Zukunft des Büros.


ESG-Themen spielen immer größere Rolle – auch außerhalb Europas

Klar ist, dass Büro- und Wohngebäude auf dem Weg zur klimaneutralen Immobilienwirtschaft das größte Potenzial bieten. Und damit auch Chancen. Alle großen Immobilienfondsgesellschaften haben in den letzten anderthalb Jahren ESG-Verantwortliche ernannt, und bei vielen Anlegern hat das Thema höchste Priorität. Darauf reagieren immer mehr Projektentwickler mit ambitionierten CO₂-neutralen Gebäudekonzepten. „Auch Union Investment richtet das Augenmerk auf Projekte mit einem starken ESG-Fokus“, so Henrike Waldburg. „Unabhängig von der Assetklasse setzt unser Team bei der Ankaufsprüfung Benchmarking-Tools ein, damit wir für unsere Anlageobjekte in aller Welt vergleichbare Daten zur Verfügung haben.“


Es bleibt aber weiterhin schwierig, passende Objekte zu finden. „Fakt ist, dass es nie genug Objekte gibt. Das prägt die Preisentwicklung und hält den Markt in Schwung. Die Welt bleibt nicht wegen Corona stehen“, sagt Chris Brett von CBRE.


Von Judi Seebus


Titelbild: Union Investment

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