Krisenprofiteur

Logistikimmobilien erwiesen sich im Corona-Jahr als widerstandsfähiges Marktsegment. Die Zeichen für die noch junge Assetklasse stehen auf weiteres Wachstum. Von Birgitt Wüst

Logistikimmobilien sind kritische Knotenpunkte in praktisch jeder Lieferkette und werden dies auch bleiben, solange Materialien und Waren gelagert, umgeschlagen und bewegt werden müssen. Ökonomen gehen davon aus, dass sich das weltweite Frachtaufkommen bis 2050 verdreifachen wird – schon mit Blick auf die bis dahin prognostizierte Entwicklung der Weltbevölkerung von aktuell 7,2 auf 9,7 Milliarden. Hinzu kommt der Megatrend Urbanisierung: Gemäß Zahlen von UN/DESA wird die Zahl der Städter bis 2050 weltweit um weitere 2,38 Milliarden auf 6,34 Milliarden steigen. Soweit es also irgendwelche Gewissheiten gibt, was die Zukunft betrifft, scheint der Bedarf an Lagerhäusern eine davon zu sein. 


Im Zuge der Pandemie gilt Logistik als sicheres Produkt in unsicheren Zeiten

Allein in Deutschland, das aufgrund seiner starken Wirtschaft und zentralen Lage zu den Top-Logistikstandorten in Europa zählt, flossen gemäß JLL im Jahr 2020 mehr als 8,7 Milliarden Euro in den Sektor, ein neuer Rekord. „Logistikobjekte in Deutschland waren und blieben gefragt“, sagt Nick Jones, Head of Germany, Logistics & Industrial Investment bei JLL Deutschland. Das Investoreninteresse an den Logistikmärkten werde 2021 anhalten, sind sich Marktbeobachter sicher. Zumal sich Befürchtungen, dass die Corona-Krise eine Deglobalisierung in Gang setzen könnte, inzwischen relativiert haben.


„Wirtschaftliche Entwicklungen lassen sich nicht so leicht zurückdrehen“, sagt Jan Linsin, Head of Research bei CBRE in Deutschland. Die Deglobalisierung sei eine Reaktion auf die Unterbrechung von Lieferketten aus Asien in der ersten Phase der Corona-Krise – etwa für Pharmazeutika aus Ländern wie China und Indien. Doch betreffe dies nur einen relativ geringen Anteil am Austausch von Wirtschaftsgütern. „Die Asiaten werden weiterhin Computerchips produzieren, Deutschland Kraftwagen und Maschinen.“ 


Wirtschaftliche Entwicklungen lassen sich nicht so leicht zurückdrehen.
Jan Linsin Head of Research, CBRE Deutschland

Steigende Mieten und steigende Preise drücken auf die Renditen

Als sicheres Produkt gelten Logistikimmobilien nicht zuletzt aufgrund der steigenden Cashflows. Da die Produktion von neuen Flächen mit der Nachfrage nach Lagerhallen und Verteilerzentren kaum Schritt halten kann, erwarten Marktbeobachter europaweit steigende Mieten, vor allem in den Sektoren Last-Mile-Delivery, E-Commerce, Lebensmittellieferungen und Pharma-Medical. Top-Objekten der Big-Box-Logistik in den größeren europäischen Märkten beispielsweise prognostiziert JLL von 2020 bis 2024 im Schnitt Mietsteigerungsraten von 1,9 Prozent pro Jahr.  


Als aussichtsreich für Logistikansiedlungen und -projekte gelten naturgemäß die großen Güterumschlagplätze – beispielsweise strategisch günstig gelegene Standorte zwischen den Seehäfen Rotterdam und Antwerpen in den Niederlanden oder die Rhein-Main-Region mit dem Frankfurter Flughafen und mehreren wichtigen Autobahnkreuzen in Deutschland. Neben solchen Hubs rücken weitere Standorte in den Investorenfokus, wie Thomas Beyerle, Leiter Research der Catella-Gruppe, betont: „In Italien etwa Triest aufgrund seines für Lieferungen nach Zentral- und Osteuropa sowie in den süddeutschen Raum günstig gelegenen Adriahafens.“ Zu wichtigen Logistikhubs entwickeln sich auch Standorte in den CEE-Ländern (Central and Eastern Europe); dazu zählt unter anderem Warschau, die Hauptstadt Polens, der leistungsfähigsten Volkswirtschaft der Region.


Zudem kreiert, nicht zuletzt aufgrund des weiterhin stark wachsenden E-Commerce und der gefragten Same-Day-Anlieferung, mit innerstädtischen oder stadtnahen Verteilerzentren ein weiterer Logistiksektor einen immensen Flächenbedarf, im Weichbild der großen europäischen Metropolen Berlin, London, Madrid und Paris ebenso wie in wirtschaftlich prosperierenden kleineren Städten und Regionen. An solchen Standorten, an denen das Angebot an geeigneten Liegenschaften bekanntermaßen knapp ist, scheint die Aussicht auf steigende Mieten gesichert. Allerdings steigen auch die Preise, denn der Investorenwettbewerb nimmt zu. In Deutschland beispielsweise berichten Transaktionsberater unisono über Nettospitzenrenditen von 3,5 Prozent; Tendenz: weiter fallend. 


Von Birgitt Wüst


Titelbild: Union Investment / Henning Kreft

Mehr zu diesen Themen: