
Hoch und beeindruckend: Wolkenkratzer sind das Markenzeichen von Metropolen. Mit den steil emporragenden Gebäuden verdichten große Städte ihre vertikalen Ebenen. Doch für die urbane Mobilität stellen Hochhäuser unpraktische Sackgassen dar. Das macht Skybridges populär. Von Elke Hildebrandt
Wolkenkratzer können den städtischen Raum sehr effizient ausnutzen. Aber die urbane Dichte, die sie erzeugen, ist nicht gleichbedeutend mit urbaner Nähe. Denn die hohen Bauwerke gelten als Sackgassen der städtischen Mobilität. Der Grund dafür liegt auf der Hand. In Wolkenkratzern von mehreren Hundert Metern Höhe legen Menschen teilweise Wege bis zu einem Kilometer zurück, um auf die gleiche Etage eines benachbarten Gebäudes zu gelangen, das nur 50 Meter Luftlinie entfernt liegt. Diesen Nachteil der Mobilitätssilos erleben Hochhausnutzer weltweit: erst mal runter, dann rüber und am Ende des langen Weges wieder rauf. Das kostet Zeit, Mühe und Energie.
Architekten und Stadtplaner suchen nach Lösungen, um benachbarte Wolkenkratzer in der Höhe besser miteinander verbinden zu können. In den vergangenen zwei Jahrzehnten ist vor allem die Entwicklung von Skybridge-Konstruktionen stark vorangeschritten. Kreiert werden spektakuläre Himmelsbrücken, die die Erreichbarkeit von Hochhäusern grundlegend verändern und gleichzeitig neue, horizontale Lebensräume in luftiger Höhe erschaffen. Damit beflügeln Skybridges auch die alte Vision von einer Stadt in den Wolken. Vor allem seit Architekt César Antonio Pelli im Jahre 1998 eine Aussichtsplattform mit Fußgängerweg schuf, um die damals höchsten Gebäude der Welt, die Petronas Towers in Kuala Lumpur, zu vereinen, sind Skybridges besonders angesagt. Landmark-Projekte wie das Bahrain World Trade Center veränderten die Art und Weise, wie wir Gebäudeverbindungen heute sehen: Bei diesem Gebäudekomplex sind die beiden Haupttürme über drei Skybridges verbunden – auf ihnen sind weithin sichtbar Windkrafträder angebracht. Das Potenzial und die Rolle der angesagten Himmelsbrücken hat der Rat für hohe Gebäude und städtischen Lebensraum, das Council on Tall Buildings and Urban Habitat, kurz CTBUH, in einer Forschungsarbeit untersucht und 2020 vorgestellt.

Zusätzliche Nutzungen sind in vielen unterschiedlichen Varianten möglich
Für die Hochhausexperten um Antony Wood, CEO der CTBUH mit Sitz in Chicago, sind Skybridges Bauwerke, die physisch verbunden sind und von zwei oder mehreren separaten Gebäuden getragen werden. Himmelsbrücken nach dem Verständnis der CTBUH liegen mindestens sechs Stock über dem Bodenniveau und sind geschlossene Räume, was bedeutet, dass Wege und Flächen innerhalb einer Himmelsbrücke geschützt sind. Die grundlegende Aufgabe einer Gebäudebrücke ist es, eine geschlossene Zirkulation zu ermöglichen (Enclosed Circulation Skybridge). Mithilfe einer Brücke können Hochhausnutzer also schnell zwischen Türmen hin und her wechseln und den oberen Teil des benachbarten Gebäudes fast so einfach erreichen wie die höheren Stockwerke des Turms, in dem die Reise beginnt. Die Highlight Towers in München-Schwabing sind ein Beispiel dafür. Ihre eleganten, nahezu transparenten Brücken bieten die Möglichkeit, die Mietflächen in den beiden Bürotürmen miteinander zu verbinden. Eine Himmelsbrücke im 20. Stock wird exklusiv vom IBM Watson Center Munich genutzt und ist ein Gewinn für Mitarbeiter und Besucher, wie Elena Kotlajrova, vor Ort verantwortlich für Business Development for Facility Management & Real Estate, berichtet: „Die Skybridge erspart uns allen sehr viel Zeit beim Wechsel zwischen den Türmen. Außerdem setzen wir sie bewusst ein, um unseren Kunden beim Skywalk ein unvergessliches Erlebnis zu bieten.“

Obwohl Himmelsbrücken nach Definition der CTBUH vor allem die physische Verbindung zwischen mindestens zwei Gebäuden realisieren, leisten manche Konstruktionen noch sehr viel mehr als das. Sind in einer Brücke beispielsweise zusätzliche Nutzungen vorgesehen, sprechen die Hochhausexperten von einer programmatischen Himmelsbrücke (Enclosed Programmatic Skybridge). Welche Vorteile das für Nutzer haben kann, zeigt eindrucksvoll die Skybridge der American Copper Buildings in New York City. Auf dem Unterdeck der dreigeschossigen Verbindung befindet sich ein Pool, in dem die Bewohner beider Wohntürme von einem zum anderen Wolkenkratzer hinüberschwimmen können.
Einen exklusiven Mehrwert für Bewohner verspricht auch die Brückenkonstruktion des Intempo im spanischen Benidorm. Hier sind die beiden etwa 200 Meter hohen Appartementtürme vom 39. bis 47. Stock über eine auffällige Skybridge miteinander verbunden. Der kegelförmige Baukörper, in dem sich Luxuswohnungen befinden, erinnert an einen Edelstein, der in luftiger Höhe zwischen den beiden Wohnhochhäusern eingefasst wurde. Auf der Dachterrasse, die allen Bewohnern der Zwillingstürme zur Verfügung steht, bietet die Skybridge Jacuzzis, Liegeflächen und einen einmaligen Blick über das Mittelmeer. „Die Kaufpreise der Skybridge-Appartements liegen zwischen 1,2 und 2,4 Millionen Euro. Von den 30 Premiumeinheiten wurden bereits neun verkauft“, berichtet Janis Fedorovskis, Geschäftsführer von Engel & Völkers Benidorm.
Mit programmatischen Gebäudebrücken beeindrucken aber auch Bürotürme. Hinter den roten, horizontalen Streifen der Skybridges bei den Tencent Seafront Towers, einem Bürogebäude im chinesischen Shenzhen, verbergen sich gleich mehrere außergewöhnliche Nutzflächen, die Büroangestellte hier kaum vermuten würden. Zu den auffälligsten Merkmalen der Gesundheitsverbindung (Health Link), wie die untere Brücke auf Höhe der 21. bis 25. Etage wegen ihres Programms genannt wird, gehören Sportanlagen: wie etwa eine mehrgeschossige Kletterwand und ein Basketballspielfeld. Das Beispiel zeigt, dass Skybridges großes Potenzial für Mixed-Use-Konzepte bereithalten.
In den Gebäudebrücken steckt viel Potenzial für Mixed-Use-Konzepte
Ein Wolkenkratzer kann ebenfalls komplett als Skybridge angesehen werden (Building as Skybridge). Nicht wenige derartige Himmelsbrücken, die zwei unabhängige Türme zu einem einzigartigen gewölbten Gebäude verbinden, beeindrucken in den Skylines von Großstädten. Gemessen am Höhenniveau zählen sie sogar zu den weltweit höchsten Gebäudebrücken. Der Skybridge-Tower The Address Beach Resort in Dubai führt das Ranking der Top 10 an. Hier liegt die oberste Verbindungsetage auf 295 Metern, beim Gate to the East im chinesischen Suzhou auf 261 Metern. Außerdem gibt es Skybridges, die quasi „on the top“ wie ein Flugzeugkörper auf mehreren Wolkenkratzern aufliegen. Diese sogenannten Skyplanes bilden eine horizontale Ebene, die sich über die Spitzen von zwei oder mehr Gebäuden erstreckt. Die berühmten Marina Bay Sands in Singapur sind ein Beispiel dafür. Das Resort bietet in 191 Metern Höhe nicht nur einen spektakulären Infinity-Pool, sondern auch einen 340 Meter langen Dachgarten.
Zu den spektakulärsten Skybridges der jüngsten Generation gehört zweifellos das Bauwerk The Crystal in Raffles City im chinesischen Chongqing. Die mehrgeschossige, röhrenähnliche Verbindung wurde 2019 fertiggestellt und ruht auf vier jeweils 265 Meter hohen Wolkenkratzern. Die Skybridge ist zusätzlich über zwei weitere Gebäudebrücken an die beiden benachbarten 355 Meter hohen Skyscraper angekoppelt. Insgesamt sechs Wolkenkratzer werden so auf über 200 Metern Höhe miteinander verbunden. The Crystal mit mehr als 10.000 Quadratmetern Nutzfläche funktioniert dabei wie ein urbanes Quartier. Würde man die 296 Meter lange Skybridge in die Vertikale kippen und neben die Petronas Towers stellen, würde sie selbst wirken wie ein Wolkenkratzer. Derart beeindruckende Konstruktionen beschränken sich bislang auf in sich geschlossene Infrastrukturen. Und das aus gutem Grund: Denn solange es keine Regelungen für öffentliche Wegerechte und gemeinsam genutzte Versorgungsleitungen gebe, stellten sich nach Ansicht der CTBUH-Forscher erhebliche Haftungsfragen. In künftigen Städten könnten aber alle Arten von Infrastrukturen auf höhere Stockwerke übertragen werden. Es gibt also noch viel Potenzial für die städtebauliche Konnektivität in den Wolken.
Von Elke Hildebrandt