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Für Top-Objekte gab es auch während der Pandemie einen Markt. Auf der Neuen Balan in München, einem Campus mit aufstrebender Nachbarschaft, sicherte sich Union Investment 2020 eine „Immobilie mit Ausnahmecharakter“. Von Christine Mattauch
Hohe Räume, eine Umgebung mit industriellem Charme und die Freiheit, sich nach Belieben einzurichten: Norbert Dobeleit kannte solche Räume aus Berlin. In München hingegen hielt er nach ihnen vergebens Ausschau – bis er das frühere Infineon-Gelände nahe dem Ostbahnhof entdeckte. „Ich war der erste Verrückte, der in die Balanstraße ging“, sagt Dobeleit, der als Moderator arbeitet und als Filmproduzent. Vor zwölf Jahren war das. In der bayerischen Landeshauptstadt rümpfte man über das raue Viertel da noch die Nase.
Heute ist die Neue Balan eine gefragte Adresse – saniert, nachverdichtet und authentisch. „Campus der Ideen“ nennt sich das 8,5 Hektar große Ensemble, dessen besondere Attraktion ein 50-Meter-Swimmingpool ist. Und Dobeleit? Ist geblieben. Mit seiner Firma Lucky7even ist er vom Altbestand in den Neubau gezogen, belegt jetzt 500 statt vormals 270 Quadratmeter. „Es ist einfach cool hier.“ Campus-Immobilien, einst ein angelsächsisches Konzept, haben in den vergangenen Jahren auch in Deutschland an Beliebtheit gewonnen – nicht nur bei Mietern, sondern auch bei Investoren. Mit ihrem aus dem universitären Raum entlehnten Ziel, Austausch und Kommunikation zu fördern, entsprechen sie den Ansprüchen einer Arbeitswelt, die von Kooperation und Vernetzung geprägt ist.
Die Mikrolage wird in den nächsten fünf bis zehn Jahren für Wachstum und Innovation stehen. Wir haben gezielt in der Lage gesucht.
„Campus-Immobilien bieten die Qualität eines Erlebnisraums“, sagt Thomas Beyerle, Head of Group Research beim Immobilienberater Catella. Die Neue Balan zeigt exemplarisch, welchen Mehrwert das bieten kann – auch und gerade über die Corona-Pandemie hinaus. Der größte Teil des Areals ist in Besitz des Münchner Investors und Verwalters Allgemeine Südboden Grundbesitz. Union Investment hat sich dort im Rahmen eines Forward-Deals einen Neubau gesichert. Haus 27 bietet auf neun Etagen rund 30.000 Quadratmeter vermietbare Fläche, neben Büro- auch Ausstellungsflächen und einen Gastrobereich im Erdgeschoss. Das Raumprogramm wird auf die Mieter zugeschnitten; es gibt Dachterrassen, Skygärten und ein sogenanntes Schaufenster, das sich über vier Geschosse erstreckt, mit grandiosem Blick über die Dächer der Stadt. Zu den Mietern gehören unter anderem die Softwarefirma Autodesk und das Onlineportal Jameda. Mit rund 320 Millionen Euro war der Deal in Deutschland eine der größten Einzeltransaktionen im vergangenen Jahr – einem Jahr, das coronabedingt für Einbrüche auf dem Investmentmarkt sorgte. Gewerbeimmobilien wechselten laut Savills für 58,84 Milliarden Euro den Eigentümer, ein Rückgang um 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bei Büros sank das Transaktionsvolumen um 21 Prozent auf 27,6 Milliarden Euro. Zur Unsicherheit über die Auswirkungen der Pandemie auf die Konjunktur kam die Frage, wie sich die Homeoffice-Erfahrung strukturell auf die Büroflächennachfrage auswirken wird. Spitzenimmobilien in sehr guten Lagen blieben für Investoren jedoch weiterhin attraktiv, ebenso wie Standorte mit klarem Aufwärtspotenzial. Dazu zählt auch die Neue Balan. Alejandro Obermeyer, Leiter Investment Management DACH bei Union Investment, spricht von einer „Immobilie mit Ausnahmecharakter“
Abriss und Neubau wären ökologisch eine Katastrophe gewesen. Wir haben mit einfachen Renovierungen begonnen und sind dann in der Qualität gewachsen.
Begehrte Mikrolage überzeugt mit hohem Alleinstellungsmerkmal
Das liegt nicht nur an der guten ÖPNV-Anbindung des Geländes, die sich durch den Bau einer zweiten S-Bahn-Stammstrecke noch verbessern wird. Der künftige Trumpf ist die Nachbarschaft zum sogenannten Werksviertel. Das Quartier, auf dem einst Pfanni sein Stammwerk betrieb und Optimol Schmieröl herstellte, entwickelt sich in rasantem Tempo zu Münchens neuem Hotspot. Das strahlt aus aufs ganze Viertel. „Die Mikrolage wird in den nächsten fünf bis zehn Jahren für Wachstum und Innovation stehen“, sagt Obermeyer. Union Investment habe „gezielt in dieser Lage gesucht“.
Es war das dritte große Engagement der Hamburger Investmentmanager im Krisenjahr 2020, nach dem Erwerb des quasi vor der Haustür gelegenen Ericus-Contors in Hamburg und des Medicus-Portfolios – sechs Core-Immobilien in Düsseldorf und Berlin. Zum Kaufzeitpunkt waren im Haus Neue Balan 27 rund 60 Prozent der Flächen vergeben, für die übrigen gibt Südboden eine Mietgarantie. Für die Branche ein Signal. „Wenn Investoren nicht nur voll vermietete Objekte kaufen, zeigt das, dass Zuversicht im Markt ist“, sagt Achim Degen, Regionalmanager Bayern bei Colliers International. Der Münchner Büromarkt gehört mit einem Leerstand von 2,3 Prozent und Spitzenmieten von knapp unter 40 Euro pro Quadratmeter zu den attraktivsten unter den Top-7-Standorten. Während aber die schnelle Gentrifizierung im Werksviertel dessen Charakter stark verändert, profitiert die Neue Balan vom Aufwärtstrend, ohne an Authentizität zu verlieren. Die Spannbreite der Mieten – zwischen 12 und 33 Euro je Quadratmeter – ermöglicht eine spannende Mietermischung: von einer Montessorischule über Start-ups bis zu Modefirmen wie Helly Hansen oder dem Edel-Lautsprecherspezialisten Sonos. „Der Standort lebt von seiner Branchenvielfalt“, findet Degen. „Er begeistert Firmen, die Häuser mit Charakter und Historie suchen.“ Dazu gehören zunehmend auch internationale Player: Gerade hat, im neu errichteten Haus 17, die Beratung Accenture 14.500 Quadratmeter bezogen.

Die Erfolgsgeschichte der Neuen Balan beginnt 2006, als Südboden das Gelände in einem Bieterwettbewerb erwirbt. Anders als mancher Mitbewerber, der die Gebäude der 1950er- und 1960er-Jahren abreißen wollte, erkennt Vorstand Maximilian von der Leyen in ihnen das Alleinstellungsmerkmal. Außerdem „wären Abriss und Neubau ökologisch eine Katastrophe gewesen“, sagt er heute. Fast alle Bestandsbauten blieben erhalten, selbst der „lange Eugen“, eine Produktionshalle mit 350 Meter langem Flur. „Wir haben mit einfachen Renovierungen begonnen und sind dann in der Qualität gewachsen.“
Anfangs war das nicht leicht, es gab 100.000 Quadratmeter Leerstand. „Da läuft man hinter den Handwerkern her, um die Heizung abzudrehen.“ Doch der lange Atem zahlte sich aus. Innerhalb weniger Jahre waren die Gebäude belegt, die Neue Balan wurde zur Marke. Von der Leyen begann die Baulandreserven zu heben. Einen Hektar Fläche reservierte er für die „grüne Mitte“ mit Bäumen, Bänken, Wiesen und Grillplatz. Sie gibt dem Areal ein Zentrum abseits der verkehrsreichen Straßen. Herzstück: der 50 Meter lange Pool, im Winter als Eisstockbahn genutzt. Der Marketing-Effekt ist enorm. In welchem anderen Multi-Tenant-Gebäude begegnen sich Mieter in Badehosen und Bikini?

Mehr als 5.000 Menschen arbeiten heute auf dem Gelände Neue Balan
Aus Sicht von der Leyens ist das auch kluges Risikomanagement. „Man muss Flächen schaffen, die man auch vermieten kann, wenn es auf dem Markt 10 Prozent Leerstand gibt und nicht 2.“ Die Einstellung bescherte ihm zudem einen Award des renommierten Urban Land Institute in der Kategorie Building Healthy Places. Die Neue Balan weise die Richtung „hin zur Entwicklung von Orten, an denen sich Menschen nicht nur befinden, sondern wohl-befinden“, befand die Jury.
Mit den Neubauten – fünf sind es bis heute – beauftragte Südboden das Münchner Büro Weickenmeier, Kunz und Partner (WKP). Die Architekten griffen den Stil der klassischen Moderne auf, der die Altgebäude prägt: regelmäßige Fassaden, zurückgesetzte Staffelgeschosse, markante Industriefenster mit schmalen Profilen. Vorbild: Lingotto, das berühmte Fiat-Quartier in Turin. Auch Haus 27 fügt sich in dieses Gesamtkonzept ein; mit 36 Metern Höhe überragt es benachbarte Bauten allerdings deutlich. „Das Haus ist ein Eckpfeiler des Geländes. Deshalb hat die Stadt das Hochhauskonzept mitgetragen“, sagt Maximilian Gotor Schäffer, Architekt bei WKP.
Mehr als 5.000 Menschen arbeiten heute auf dem Gelände, es gibt einen Supermarkt, ein Fitnessstudio, täglich wechselnde Foodtrucks. Schon steht mit Haus 28 der nächste Neubau an, und von der Leyen denkt über neue Serviceleistungen nach: vielleicht ein Campus-Magazin? „Ein Campus ist ein prozesshafter Immobilientyp, der immer unter einem gewissen Optimierungsdruck steht“, sagt Experte Beyerle. Das sieht von der Leyen übrigens ähnlich. „Wir sind in einer laufenden Veränderung. So ein Gelände lebt.“
Und liegt nicht genau darin der Reiz für Mieter? Selbst in der Hochzeit der Pandemie wurden für Haus 27 zwei Mietverträge abgeschlossen, mit der Schön Klinik und mit dem Spielzeughersteller Schleich. Eingezogen ist auch die Werbeagentur BDA Creative. Deren Geschäftsführer Philipp Wundt lobt neben den hochflexiblen Grundrissen vor allem das Design, das dem eigenen Selbstverständnis entspreche: „Die Flächen sind repräsentativ, aber mit einem gewissen Understatement.“ Nichts schlimmer für einen Kreativen, als großspurig zu wirken. Nicht zuletzt freut sich der Werber auf die neuen Nachbarn. „Ich bin gespannt, was sich an Partnerschaften ergibt.“
Von Christine Mattauch