Wachstumsschub für Amsterdam

Gegenüber dem Amsterdamer Hauptbahnhof entwickelt Union Investment am Nordufer des Flusses IJ für rund 460 Millionen Euro ein gemischt genutztes Immobilienensemble. Im Mittelpunkt steht ein neues Maritim Congress Hotel, welches das zweitgrößte Kongresshotel der Stadt sein wird. Y-Towers wird das Gesicht des Stadtteils Overhoeks im Amsterdamer Norden maßgeblich prägen. Von Judi Seebus

Das Forward Funding von Immobilienprojekten und Quartiersentwicklungen, die das Potenzial haben, ein ganzes Stadtviertel zu revitalisieren und dynamische neue Hotspots entstehen zu lassen, hat bei Union Investment lange Tradition. Da es in Europa immer weniger attraktive Core-Investitionsmöglichkeiten gibt, lag die Gründung eines eigenen Value-Add-Teams nah. Das Unternehmen nutzt seine finanziellen Ressourcen und breit aufgestellte Immobilienkompetenz, um in einem renditeschwachen Marktumfeld Projekte im höheren Rendite- und Risikospektrum zu realisieren. Das seit Ende 2018 bestehende Value-Add-Team von Union Investment steht unter der Leitung von Monika Gerdes, ehemals Head of Asset Management Europe III. Die Y-Towers sind das erste Projekt des Teams. Die Projektentwicklung wurde Ende 2019 von dem ursprünglichen Developer übernommen, nachdem Differenzen mit dem Generalunternehmer zu einem Baustopp geführt hatten.


„Für Union Investment sind die Y-Towers die erste Projektentwicklung in den Niederlanden und zugleich das erste Projekt dieser Größenordnung und Komplexität seit mehr als zehn Jahren“, so Gerdes. „Das Besondere an den Y-Towers ist neben der innerstädtischen Wasserlage auch die Möglichkeit, eine Hotelentwicklung dieser Größe zu realisieren und einen Wohnturm ohne Mietbindung zu entwickeln.“


Europäisches Wohnen und Value-Add sind interessante neue Investitionsfelder für unsere Offenen Immobilienfonds.
Volker Noack Geschäftsführer der Union Investment Real Este GmbH

Lösungsorientierte Gespräche

Mitte 2018 stand die Stadt Amsterdam kurz davor, die bestehenden Erbbaurechtsverträge den Verkäufern zu entziehen. „In dieser Situation setzen die Projektbeteiligten auf die Kompetenz von Union Investment und boten dem Unternehmen den Einstieg in das Projekt, im Zuge der Verhandlungen dann sogar die Übernahme des Projekts an“, erklärt Gerdes.


„Seit mehr als zehn Jahren sind wir als Immobilieninvestor in den Niederlanden tätig und engagieren uns insbesondere in den Nutzungsarten Büro und Hotel. Wir sind als zuverlässiger und erfolgreicher Partner für Investments in Stadtquartiere sowie für Revitalisierungsmaßnahmen bekannt. Während einer viermonatigen Due-Diligence-Prüfung, die im Mai 2019 eingeleitet wurde, haben wir mit den zuständigen Behörden im Sinne unserer internen Vorgaben intensive Gespräche zum Beispiel hinsichtlich der Anpassung der Regelungen der Erbpachtverträge zur Sicherung der Eigentumsrechte geführt. Im Rahmen des schließlich geschlossenen Vertrags haben wir uns verpflichtet, an dem Hauptmieter Maritim festzuhalten und zahlreichen Vertragsbedingungen insbesondere im Hinblick auf die Projektumsetzung zuzustimmen.“ Nach der Fertigstellung werden die Y-Towers zu den fünf größten Assets im weltweiten Bestand von Union Investment zählen und das Portfolio des UniImmo: Europa ergänzen, der ein Fondsvermögen von 12,9 Milliarden Euro hat (Projektkosten 460 Millionen Euro). In Amsterdam verwaltet Union Investment aktuell ein Bestandsportfolio von zehn Gewerbeimmobilien im Wert von rund 940 Millionen Euro. Hinzu kommen Objekte in Eindhoven, Enschede und Rotterdam. Im Januar dieses Jahres wurden die Bauarbeiten am neuen Amsterdamer Vorzeigeprojekt wiederaufgenommen. Das Ensemble besteht aus zwei Türmen mit einer Bruttogeschossfläche von insgesamt etwa 106.000 Quadratmetern. Das 110 Meter hohe Kongresshotel der Marke Maritim mit 579 Zimmern und 33 Geschossen wird das höchste Gebäude im Norden der Stadt sein. Daneben entsteht ein Wohnturm mit einer Höhe von 101 Metern und insgesamt 174 Wohnungen sowie einem ‚Extended Stay‘-Hotel mit 120 Serviced Apartments. Die Y-Towers bilden den Kern des neuen Stadtteils Overhoeks mit attraktiver Wasserlage im Norden Amsterdams und spektakulären Ausblicken auf das Kanalnetz aus dem 17. Jahrhundert. Es besteht eine direkte Fährverbindung zum Hauptbahnhof.


Geschichtsträchtige Lage

Jahrhundertelang war das nördliche Ufer so etwas wie der Hinterhof Amsterdams. Es war der Ort, an dem bis 1795 verurteilte Mörder am Galgen hingerichtet wurden. So ist Rembrandt wohl mit dem Boot zum Galgenacker gefahren und hat Zeichnungen von der hingerichteten jungen Dänin Elsje Christiaens angefertigt, die ihre Zimmerwirtin 1664 in Amsterdam mit einem Beil erschlagen haben soll. Ihren leblosen Körper, der zusammen mit der Mordwaffe am Galgen hing, hat der niederländische Meister porträtiert.


In der Regel wurde zu Rembrandts Zeiten das Stadtviertel von ehrbaren Bürgern gemieden. Und das blieb so, bis im Jahr 1876 der Nordseekanal gebaut wurde, der Amsterdam mit dem offenen Meer verband. In den folgenden Jahrzehnten entstand an dem Kanal eine Schiffswerft. Im Laufe des 20. Jahrhunderts siedelten sich weitere Unternehmen aus der Kabelindustrie, dem Maschinenbau und der Petrochemie hier an und das Gebiet entwickelte sich bis etwa in die 1980er-Jahre zu einem florierenden Industriestandort. Anfang des neuen Jahrtausends wurden einige der heruntergekommenen Fabriken wiederbelebt.


Als 2012 direkt am Flussufer der ikonenhafte Bau des Eye-Filmmuseums eröffnet wurde, schlossen die Stadt und ihre Bewohner das lange vernachlässigte Gebiet endgültig in ihr Herz. Hinter dem Filmmuseum erheben sich heute Luxuswohnanlagen, die zusammen mit dem A’Dam (dem ehemaligen Shell-Forschungszentrum) und zukünftig auch mit den Y-Towers eine vielschichtige urbane Skyline bilden. Am dynamischen Amsterdamer Hotelmarkt hat Union Investment schon drei Häuser im Portfolio, das Radisson Blu, das Crowne Plaza und das Motel One, die im Süden und im Zentrum der Stadt liegen. Alle drei Objekte sind auf das Tagungs- und Kongressgeschäft ausgerichtet.


Der Neubaukomplex Y-Towers wird ein eigenes Kongresszentrum beherbergen und mit dem Messe- und Kongresszentrum RAI im Süden der Stadt sowie mit anderen Kongresshotels wie etwa dem Okura und dem Novotel in Konkurrenz treten. Nach Auffassung von Branchenanalysten gibt es am hiesigen Markt noch reichlich Platz für ein weiteres Kongresshotel, auch weil Amsterdam als Veranstaltungsort immer beliebter wird. Nach Angaben der International Congress and Convention Association lag die niederländische Hauptstadt 2018 europaweit auf Rang sechs. Besonders gut schneidet sie in den drei nachfragestärksten Bereichen Medizinforschung, Technologie und Wissenschaft ab.


Der Tourismus und das Tagungsgeschäft sind für Amsterdam wichtige Wirtschaftsfaktoren: Bis 2025 wird mit einer Steigerung der jährlichen Besucherzahlen auf 29 Millionen gerechnet. Das Maritim Congress Centre werde somit am unterversorgten Tagungs- und Kongressmarkt der Stadt dringend benötigte Kapazitäten schaffen, meint die Inhaberin und Aufsichtsratsvorsitzende der deutschen Hotelgruppe, Monika Gommolla: „Insbesondere im Hinblick auf das Tagungsgeschäft hat Amsterdam unserer Ansicht nach ein enormes Potenzial. Maritim verfügt in diesem Bereich über mehr als 50 Jahre Erfahrung. Zudem heben sich Maritim Hotels mit ihren erstklassigen Standorten immer von der Masse ab. Dank der zentralen Lage und exzellenten Infrastruktur bietet dieser moderne Standort noch vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten.“


Entsprechend den steigenden Touristenzahlen ist die Zahl der Hotelzimmer in Amsterdam in den letzten fünf Jahren um mehr als 25 Prozent gestiegen. In den Vierteln rund um das Stadtzentrum betrug der Zuwachs sogar 40 Prozent. Dieser Boom geht aber auch zulasten der Lebensqualität und des Wohnungsmarkts, was schon zu lautstarken Protesten der Bewohner geführt hat. Daher sah sich die Stadtverwaltung 2017 veranlasst, die Besucherströme durch entsprechende Maßnahmen in weniger überlaufene Viertel innerhalb und außerhalb der Stadt zu lenken. So werden seither im Zentrum keine neuen Hotels mehr genehmigt.


Bas Wilberts, der in der Amsterdamer Niederlassung der Immobilienberatung Savills den Bereich Investments leitet, sieht die Y-Towers als Paradebeispiel für die gelungene Umsetzung der Strategie, die Besucher im gesamten Stadtgebiet zu verteilen. „Als Tagungsstandort hat Amsterdam aufgrund seiner ausgezeichneten Verkehrsinfrastruktur, der Nähe zum internationalen Flughafen und vergleichsweise geringer Kosten gegenüber anderen Städten zahlreiche Vorteile zu bieten. Einige Veranstalter haben die Stadt aber wegen des begrenzten Angebots an Konferenzräumen und Hotelbetten bisher gemieden. Die Y-Towers dürften neue Perspektiven eröffnen und neue Zielgruppen ansprechen.“


Monika Gerdes leitet bei der Union Investment Real Estate GmbH das Value-Add-Team. Ihre volle Aufmerksamkeit gehört derzeit der Projektentwicklung Y-Towers in Amsterdam-Nord. Das gegenüberliegende IJ-Ufer mit dem Eye-Filmmuseum (links) und dem A’dam-Turm (rechts) wird sich mit dem 33-geschossigen Maritim-Kongresshotel und einem zweiten Hochhaus für 174 Wohnungen spürbar weiterentwickeln.
Peter Strelitski

Privatfähren zwischen Y-Towers und anderen Hotels

Auch Monika Gerdes von Union Investment geht davon aus, dass die Y-Towers die überlaufenen Gebiete Amsterdams entlasten und Menschen und Unternehmen in das Overhoeks-Viertel locken werden: „Der größte Konferenzsaal der Y-Towers wird genau wie der größte Saal des RAI, des größten Kongresszentrums der Stadt, 2.000 Personen fassen. Insgesamt wird das Kongress- und Tagungszentrum Y-Towers Kapazität für 4.000 Personen haben. Das Maritim Hotel wird viele Teilnehmer, aber nicht alle unterbringen können. Daher führen wir zurzeit Gespräche mit anderen Hotels, die vor allem in der Nähe des Hauptbahnhofs und im Hafengebiet auf der anderen Seite des IJ liegen. Diese internationalen Hotelketten sind sehr an einer Zusammenarbeit interessiert. Es gibt schon erste Ideen für eine neue Verkehrsinfrastruktur. Demnach könnten die Kongressteilnehmer mit privaten Booten und Fähren zu den Y-Towers befördert werden.“


Der neben dem Hotel entstehende Wohnturm mit einer Gesamtfläche von rund 16.000 Quadratmetern und Serviced Apartments in den unteren Geschossen zielt in den oberen Geschossen mit Apartments und exklusiven Penthouses auf das gehobene Mietpreissegment ab. In Amsterdam besteht laut Gerdes eine hohe Nachfrage nach hochwertigem Wohnraum, und zwar sowohl bei der einheimischen Bevölkerung als auch bei den Expats. Dabei gibt es im Umfeld des Neubauprojekts kaum vergleichbare Angebote. Für Union Investment dienen gemischt genutzte Immobilien nicht nur zur Risikodiversifizierung: „Auch Nachhaltigkeit ist für uns ein wichtiges Thema. Wir möchten Y-Towers möglichst umweltfreundlich gestalten, auch um den Anforderungen der Stadt Amsterdam, unserer Mieter und unseres Fonds gerecht zu werden. In Amsterdam gelten sehr strenge Energiesparvorschriften. Wir streben mindestens das BREEAM-Excellent-Zertifikat an und möchten mit darüber hinausgehenden Maßnahmen für die Zukunft gerüstet sein.“ Auch am dynamischen Wohnungsmarkt strebt Union Investment Ankäufe mit Value-Add-Charakter an, wie Volker Noack, Geschäftsführer der Union Investment Real Estate GmbH, erläutert: „Wir sind daran interessiert, Wohnimmobilienprojekte in unsere offenen Fonds aufzunehmen, da eine große Produktnachfrage besteht und bei den Mieten teilweise sogar ein zweistelliges Wachstum zu beobachten ist. Mit unserem Engagement beim Projekt Y-Towers haben wir vor allem aber nicht nur im niederländischen Markt das Interesse anderer Marktteilnehmer geweckt, die unseren hohen Qualitätsanspruch und unsere Kompetenzen zu schätzen wissen. Ein weiteres Projekt von dieser Größenordnung und Qualität wird allerdings nur schwer zu finden sein.“


Von Judi Seebus


Titelbild: Team V Architecture, a visualisation by Zwartlicht (Simulation)

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