
Die europäische Touristikbranche glänzt mit anhaltenden Wachstumsraten. Immobilieninvestoren stellen sich die Frage, wie sie am besten von neuen Nachfragetrends und der herausragenden Stellung Europas als Reiseziel profitieren können. Von Paul Allen
Shopping in edlen Modehäusern, weltberühmte Sehenswürdigkeiten, Kunstgalerien und feine Restaurants. Angesichts dieses faszinierenden Angebots ist es nicht verwunderlich, dass immer mehr asiatische Touristen nach Paris strömen. In Asien-Pazifik steigt mit dem Einkommen auch das Interesse an Auslandsreisen. Europa stehe bei den Reisezielen hoch im Kurs und die Mehrzahl der Touristen komme aus China, wie Marie Hickey, die Leiterin des Bereichs Commercial Research bei der internationalen Immobilienberatung Savills, berichtet. „Für die meisten chinesischen Besucher, die zum ersten oder zweiten Mal nach Europa kommen, hat das Shopping wohl höchste Priorität. Auch aus diesem Grund sind die Städte Paris und Mailand so beliebt.
Wer schon zum fünften oder sechsten Mal den Kontinent bereist, interessiert sich eher für die Kultur. Dann werden kleinere Städte wie Prag, Budapest oder Lissabon angesteuert“, erklärt Hickey. Darüber hinaus ist bei Touristen aus China eine Verlagerung der Reisegewohnheiten festzustellen. Auch wenn die traditionellen Reiseziele noch dominieren, weist der Branchenverband European Travel Commission (ETC) auf einen Individualisierungstrend unter den Reisenden hin. Hierbei werden auch weniger bekannte Destinationen erkundet: Kroatien, Lettland, Slowenien, Malta, Irland und Dänemark gehören zu den Ländern, die im ersten Halbjahr 2019 die stärksten Zuwächse bei der Anzahl der Touristen aus China verzeichneten. Bei den asiatischen Reisenden gibt es zwar die höchsten Wachstumsraten, der überwiegende Teil der Touristenströme verläuft aber nach wie vor intraregional.

Europäischer Kontinent ist beliebtestes Reiseziel
Aktuellen Daten der World Tourism Organization zufolge stieg die Zahl der internationalen Europatouristen 2019 um 4 Prozent auf 742 Millionen. Damit ist der Kontinent das bei Weitem beliebteste Reiseziel der Welt. Reisende aus Deutschland und Großbritannien machen dabei den höchsten Anteil aus. Die Abwertung des britischen Pfund infolge des EU-Referendums hatte jedoch spürbare Auswirkungen. So ging die Anzahl der britischen Reisenden im europäischen Ausland im Juni 2019 im Jahresvergleich um 1,6 Prozent zurück. „Dieses Minus wurde aber durch die steigende Zahl der US-Touristen ausgeglichen, die vom starken Dollar profitieren“, kommentiert Marie Hickey. Laut dem aktuellen Quartalsbericht von ETC verzeichneten die Länder Süd- und Südosteuropas zuletzt die höchsten Zuwächse bei US-Reisenden.
In der Türkei, Griechenland und Zypern lag das Plus bei 20 Prozent. In Spanien stieg die Zahl der US-Touristen im Jahresverlauf bis Juli 2019 um 27 Prozent, wobei insbesondere in Barcelona und Madrid der Tagesumsatz pro verfügbarem Zimmer (RevPAR) deutlich zulegte. Auch Portugal, Schweden und Norwegen erlebten einen starken Aufschwung.
Angebote für Millennials
Mit den neuen Touristenströmen entwickeln sich auch die Interessen der Besucher weiter. Jüngere Reisende setzen andere Schwerpunkte. Dazu Marie Hickey: „Dadurch verschiebt sich die Nachfrage nach Unterkünften und damit auch das Interesse der Investoren.“ Die von Millennials bevorzugten Boutique-Hostel-Marken, Lifestyle-Marken und Serviced Apartments sind auch für Reisende anderer Altersgruppen attraktiv. „Während das Interesse institutioneller Anleger früher vor allem globalen Marken, insbesondere Vier-Sterne-Hotels mit Pachtverträgen galt, ziehen sie heute unterschiedliche Anlageobjekte in Betracht“, so die Analystin. Auch etablierte Branchenakteure haben die Zeichen der Zeit erkannt, meint Marie Hickey: „Viele Anbieter gehen mit unkomplizierten Restaurants, Coffeeshops, Workspaces und anderen Lifestyle-Angeboten auf die geänderte Nachfrage ein.“ Auch wenn sich dieser Trend weiter fortsetzen wird, bleibt nach Ansicht der Expertin immer noch Raum für klassische Hotelkonzepte: „Diese sprechen zum Beispiel nach wie vor Geschäftsreisende und amerikanische Touristen an, die den Marken, die sie von zu Hause kennen, gerne treu bleiben.“
Millennials verschieben die Nachfrage nach Unterkünften und damit auch das Interesse der Investoren.
Bevorzugte Investmentziele
Anlegern stellt sich die Frage, wie sie am besten von Europas herausragender Stellung als Reiseziel und von den neuen Nachfragetrends profitieren können. Laut einer Studie, die der Immobilienmakler Tranio gemeinsam mit dem International Hotel Investment Forum beim Forum-Event 2019 durchgeführt hat, stehen Spanien (55 Prozent), Deutschland (54 Prozent), Italien (42 Prozent), Großbritannien (38 Prozent) und die Niederlande (33 Prozent) ganz oben auf der Liste der bevorzugten Investmentziele. Im Hinblick auf den RevPAR sind Paris, Genf und Zürich vor London, Lissabon und Porto die Favoriten. Pachtobjekte – Hotels, Serviced Apartments und Hostels – sind bei den Investoren nach wie vor besonders beliebt. Das Problem dabei: In Europa stehen nicht genügend Immobilien zur Verfügung, was die Spitzenrenditen drückt. In den 22 von Savills beobachteten Märkten liegt die Spitzenrendite zurzeit im Durchschnitt bei 4,26 Prozent. In Berlin, München und Paris liegt sie für verpachtete Hotelimmobilien bei 3,5 Prozent. In Anbetracht der negativen Renditen von Staatsanleihen bleiben Investitionen in Hotelimmobilien jedoch eine attraktive Option.