
Robuste Nachfrage
Für institutionelle Investoren haben Wohnimmobilien einen ganz besonderen Charme: Sie versprechen einen kontinuierlichen und sicheren Cashflow. Doch noch aus anderen Gründen werden immer mehr Investoren in diesem Segment aktiv.
Wenn Immobilienexperten den Namen Redevco hören, dann denken sie gewiss nicht in erster Linie an Wohnungen. Denn die Investmentgesellschaft, die zur Cofra-Gruppe und damit zum Bekleidungsimperium C&A gehört, ist eigentlich auf Einzelhandelsobjekte spezialisiert. Doch seit Kurzem beackert Redevco ein zusätzliches Feld: Ende 2018 legte die Gesellschaft einen Fonds auf, der 500 Millionen Euro in Wohnimmobilien in den Niederlanden, Deutschland, Spanien und Großbritannien investieren will. „Der Wohnimmobilienmarkt“, begründet Redevco-CEO Andrew Vaughan die Strategieerweiterung, „zeichnet sich durch robuste Kerndaten aus.“ Deshalb sei es „absolut sinnvoll“, in dieses Segment einzusteigen.
Ähnlich sehen das zahlreiche andere Anleger. Wie begehrt Wohnungen sind, belegen Zahlen des Immobiliendienstleisters Savills. Demnach wurden im ersten Halbjahr 2018 europaweit Mehrfamilienhäuser für rund 20,5 Milliarden Euro gehandelt, was 17 Prozent des gesamten Transaktionsvolumens mit Immobilien entsprach. Besonders begehrt sind Wohnimmobilien in Deutschland: Vorläufigen Zahlen von Savills zufolge erreichte hier das Transaktionsvolumen im Gesamtjahr 2018 rund 15 Milliarden Euro, was immerhin rund 30 Prozent des Volumens von gewerblich genutzten Immobilien entsprach.
Der deutsche Wohnimmobilienmarkt profitiert von einer steigenden Wohnraumnachfrage.
Überschaubares Mietausfallwagnis
Eine Erklärung für das Interesse an Wohnimmobilien hat Karsten Nemecek, Managing Director Immobilienbewertung/Transaktionsberatung bei Savills in Deutschland. „Die hohe Risikoaversion, die seit der Finanzkrise an den Kapitalmärkten vorherrscht, spielt Wohnimmobilien als Assetklasse in die Karten“, erklärt er. „Sie liefern langfristig stabile Erträge und damit genau das, was viele Investoren suchen.“ Ganz besonders gilt dies für die Bundesrepublik, wie Konstantin Kortmann erläutert, Head of Residential Investment bei JLL in Deutschland: „Dass der deutsche Wohnungsmarkt gesetzlich stark reguliert ist, wirkt sich positiv auf die Stabilität aus.“ Wohnungswirtschaftliche Mietverträge sind hierzulande nämlich – anders als beispielsweise in den USA – in aller Regel unbefristet. „Investoren“, stellt Kortmann fest, „können deshalb einen stabilen Cashflow erwarten.“
Das liegt im Interesse von Anlegern, die langfristige, sichere Erträge erwarten, ohne dies mit übersteigerten Renditeerwartungen zu verbinden. In diese Kategorie gehört die Fondsgesellschaft Union Investment, die 2017 gemeinsam mit der ZBI-Gruppe, einem auf Wohnimmobilien spezialisierten Unternehmen, einen Offenen Wohnimmobilienfonds für Privatanleger auflegte. „Insbesondere im Bereich von Bestandswohnungen, die breiten Schichten der Bevölkerung Wohnraum bieten und damit ein Grundbedürfnis (‚Gewohnt wird immer‘) bedienen, sehen wir für unsere Investoren nachhaltige und vor allem wenig volatile Investmentmöglichkeiten“, führt Thomas Wirtz, Vorstand von ZBI Immobilien, aus. Zudem bietet die ZBI-Gruppe die gesamte Wertschöpfungskette, angefangen vom Einkauf über die aktive Verwaltung und Optimierung der Bestände, beispielsweise über Sanierungen und Modernisierungen, bis hin zum Verkauf, aus einer Hand und mit eigenen Mitarbeitern an. „Damit hat die ZBI über die letzten 20 Jahre nachhaltige Erfolge erzielt, die die Grundlage der ZBI-Fondskonzepte darstellen“, sagt Wirtz. Der UniImmo: Wohnen ZBI hat bis November 2018 bereits 1,4 Milliarden Euro investiert und einen Bestand von 19.600 Wohneinheiten aufgebaut. Für institutionelle Anleger ist der Spezialfonds ZBI Union Wohnen Plus dazugekommen. Im institutionellen Bereich arbeitet Union Investment bei Wohninvestments außerdem in gemeinsamen Service-KVG-Mandaten mit Deutsche Asset One zusammen.
Vorteil Deutschland
Im Fokus der beiden Offenen Union Investment-Fonds steht Deutschland. „Der deutsche Wohnimmobilienmarkt profitiert von einer steigenden Wohnraumnachfrage, die aus einem generellen Aufwärtstrend der Bevölkerungszahlen bei gleichzeitig wachsendem Wohnraumbedürfnis pro Kopf und einer zunehmenden Anzahl an Haushalten resultiert“, sagt Jens Wilhelm, Mitglied des Vorstands der Union Asset Management Holding AG. Hinzu komme ein weiterer Vorteil: „Der deutsche Wohnungsmarkt mit seinen 16 Bundesländern und zahlreichen attraktiven Standorten ist in sich schon so vielfältig, dass wir im Interesse der Anleger ein gutes Maß an Diversifizierung erreichen können.“ Diese Einschätzung bestätigt Ulrich Jacke, Gesellschafter des Transaktionsberaters Dr. Lübke & Kelber. Nach seinen Worten gibt es auch abseits der sieben größten Städte „besonders attraktive Investitionsstandorte mit einem sehr positiven Risiko-Rendite-Verhältnis“. Konsequenterweise sind die Fonds von Union Investment nicht nur in den Topstädten investiert, sondern auch in kleineren Kommunen wie Rendsburg, Weimar und Oberhausen.
Dass der deutsche Wohnungsmarkt gesetzlich stark reguliert ist, wirkt sich positiv auf die Stabilität aus.
Doch wie findet man heraus, welche internationalen Standorte langfristig gute Investitionschancen versprechen? Eine Antwort in internationaler Perspektive gibt Kate Everett-Allen, Partner International Residential Research bei der Beratungsgesellschaft Knight Frank: „Transparente Märkte mit stabilen politischen Systemen, guten Transportverbindungen und hervorragenden Universitäten, die in der Lage sind, Talente und Qualifikationen für neue Technologien hervorzubringen – das sind die Städte, die es im Auge zu behalten gilt.“ Konkret nennt die Expertin beispielsweise Berlin, Amsterdam, Madrid, Dublin und Lissabon.
Dabei gilt es für Investoren allerdings, die jeweiligen Rahmenbedingungen in den europäischen Ländern zu beachten. Sehr unterschiedlich ist beispielsweise die Einstellung zu Wohneigentum: Während in Spanien 78 Prozent und in Irland 70 Prozent der Haushalte in der eigenen Immobilie wohnen, sind es in Deutschland lediglich 45 Prozent. Allerdings scheint die Bereitschaft, eine Wohnung anzumieten und nicht zu kaufen, tendenziell zuzunehmen. „Wenn die Differenz zwischen der Entwicklung der Immobilienpreise und der Löhne noch größer wird, werden wir wahrscheinlich eine stärkere Mietnachfrage sehen“, vermutet jedenfalls Knight-Frank-Expertin Everett-Allen.
Unterschiede von Land zu Land
Auch in Bezug auf Mietrecht und Marktregulierung zeigen sich erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. So war zum Beispiel der Wohnungsmarkt in den Niederlanden lange von einer starken Stellung der Sozialwohnungsgesellschaften geprägt. Doch seit 2014 wirbt die Regierung gezielt um ausländische Investoren. Von einem „stabilen Investment mit einer zuverlässigen Rendite und einem niedrigen Risiko“ spricht Frank van Blokland, Direktor der Association of Institutional Property Investors in the Netherlands.
Noch immer stark reguliert ist der österreichische Markt – in Wien etwa ist ein Großteil des Wohnungsbestands in der Hand des kommunalen Wohnungsunternehmens und anderer gemeinnütziger Anbieter. Gleichwohl kommen Investoren auch auf Österreichs Wohnimmobilienmärkten zum Zuge, wie Zahlen der Beratungsgesellschaft CBRE belegen: Im ersten Halbjahr 2018 wechselten demnach in der Alpenrepublik Wohnimmobilien für 760 Millionen Euro den Eigentümer.
Durch ein hohes Maß an staatlichen Eingriffen in den Wohnungsmarkt zeichnet sich auch Deutschland aus. So begrenzt zum Beispiel seit 2015 die Mietpreisbremse den Mieterhöhungsspielraum bei neuen Verträgen. Immer mehr Kommunen nutzen zudem die gesetzliche Möglichkeit, in sogenannten Milieuschutzgebieten ihr Vorkaufsrecht wahrzunehmen und so Investoren auszustechen. Konstantin Kortmann von JLL beobachtet diese Entwicklung mit Sorge: Solche von Investoren schwer zu kalkulierenden Maßnahmen, sagt er, „führen zu einer zunehmenden Rechtsunsicherheit“.

Um diesen regionalen und lokalen Besonderheiten gerecht zu werden, arbeiten institutionelle Investoren in der Regel mit Wohnungsspezialisten zusammen. Wie zum Beispiel Union Investment mit ZBI. Die ZBI-Gruppe sichert ihr Konzept der regionalen Diversifikation über ein breites, bundesweit verteiltes Niederlassungsnetz von aktuell 17 Standorten. „Wir profitieren täglich von den Erfahrungen unseres Bestandsportfolios und haben die Möglichkeit, Ankaufsoptionen in den Regionen schnell mit dem Markt, aber auch den eigenen Beständen zu vergleichen, das schafft viele Vorteile im Wettbewerb“, sagt Thomas Wirtz von ZBI.
Entscheidend ist eine detaillierte Kenntnis der Märkte auch deshalb, weil die Preise – nicht anders als bei gewerblich genutzten Immobilien – deutlich angezogen haben. „Für Fonds und andere institutionelle Investoren ist es schwierig geworden, in deutschen A-Städten allein mit dem Cashflow die erforderliche Ausschüttungsrendite zu erwirtschaften“, sagt Konstantin Kortmann von JLL. Hinzu kommt allerdings – eine anhaltend positive Entwicklung vorausgesetzt – die Wertsteigerung.
Eine Möglichkeit, die Rendite zu steigern, besteht unter anderem darin, in Sonderformen des Wohnens zu investieren. Hierzu gehört beispielsweise betreutes Wohnen oder auch temporäres Wohnen. „Senioren- und Studentenwohnanlagen“, erklärt Hans Vrensen, Head of Research des Investmentmanagers AEW, „bieten einen attraktiven Renditeaufschlag von 150 Basispunkten gegenüber üblichen Wohnimmobilienportfolios.“ Für solche Wohnformen spricht darüber hinaus auch die gesellschaftliche Entwicklung. „Megatrends wie Alterung und Urbanisierung treiben die Nachfrage“, stellt Patrizia-Chefökonom Marcus Cieleback fest.
Doch auch bei konventionellen Wohnformen sind sich die meisten Experten einig: Wohnimmobilien an guten Standorten werden auch künftig stark nachgefragt sein. „Wohnraum in Ballungsgebieten wird knapper“, stellt Susanne Eickermann-Riepe, Real Estate Leader bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC Deutschland, fest. „Und obwohl solche Immobilien aus operativer Sicht für Investoren mit am anspruchsvollsten zu managen sind, versuchen viele hier einzusteigen.“ Redevco dürfte also nicht der letzte Neuzugang in diesem Marktsegment bleiben.
Von Christian Hunziker